Zweite Rheinbrücke, Topsy-„Skandal“, Kinemathek-Punktsieg & Die Hosen-Affäre im Wildpark

Stadtleben // Artikel vom 13.11.2017

Um Lüpertz’ „Genesis“ ist es ruhig geworden, wobei der am 5.10.2017 in der FAZ erschienene ganzseitige Artikel des Journalisten Andreas Rossmann viel Staub aufwirbelte.

Der auch auf dem Cover der FAZ in roten Lettern angekündigte Text „Unter dem Stadtniveau“, den man für zwei Euro im FAZ-Archiv kaufen kann, lohnt sich. Eine ruhig geschriebene Bestandsaufnahme, mit zahlreichen stadtplanerischen und architektonischen Informationen gespickt. Fazit in Bezug auf Lüpertz: Wie auch wir kommt der Autor zum Schluss, dass es eben gar kein „Lüpertz-Geschenk“ gibt, da der Künstler ein hohes sechsstelliges Honorar erhält.

Aber es gibt ja noch genügend andere Spalterthemen in der Stadt. Da wäre ganz aktuell das Zankobjekt „zweite Rheinbrücke“, gegen deren Planfeststellungsbeschluss die Gemeinderats-Mehrheit um OB Mentrup aus „fristwahrenden Zwecken“ Klage einreicht, während die (über Jahre ihre ÖPNV-Verbindungen schleifende) Südpfalz, der Landkreis Karlsruhe, die Wirtschaft und viele Pendler es mit Regionalverbandsdirektor Hager halten: „Bauen statt stauen“. Sagen wir es so: Ganz offensichtlich soll hier insbesondere auf Pfälzer Seite, wo Informationen zumeist einzig aus der Monopolzeitung „Rheinpfalz“ bezogen werden, so lange Druck auf die Politik (in Ba-Wü offenbar bei Minister Hermann bereits angekommen) ausgeübt werden, bis die Stadt Karlsruhe einer neuen Stadtautobahn bereitwillig zustimmt. Oder besser: zustimmen muss.

Brückenblockaden auf Pfälzer Seite sagen einiges aus. Hetze und Aufwiegelung zählen übrigens zum Instrumentarium einer Monopolpresse – sie bietet in jedem Fall das hohe Gut der Leserbindung. Die Karlsruher Monopolpresse aus BNN, „Sonntag“ und „Kurier“ stützt ebenfalls unverhohlen den Bau der zweiten Rheinbrücke. Immerhin werden hier Themen wie Ersatzbrücke oder die von Landau abgelehnte Straßenbahn-Anbindung z.B. von Landau nach Karlsruhe teilthematisiert – meist auf den Leserbriefseiten.

Klar ist ein ÖPNV in einem Flächenland mit vielen kleinen Orten schwierig – das allermindeste aber sollte schon drin sein, bevor man andere dazu auffordert, sich noch mehr Auto- und vor allem Lkw-Verkehr mitten in die Stadt zu holen. Minister Hermann – übrigens von den Grünen – sollte sich diesbezüglich vor allem mal ganz dringend um Stuttgart kümmern. Dort wird aber die Energie offenbar vor allem darauf verwendet, trotz Gerichtsurteilen Fahrverbote abzuwenden und die Industrie zu schützen anstatt die Bevölkerung vor Abgasen. Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, in diesem Fall aber decken sie sich mit eigenen Beobachtungen und Recherchen: Die Einzelhandelsinitiative „Für Karlsruhe“ hat eigene Zählungen zur Fußgängerfrequenz im Oktober 2017 durchgeführt. Sie sind nochmals erheblich unter Vorjahr; wenn das so weitergeht, nähert man sich bald einer 50-prozentigen Einbuße im Vergleich zur Vor-Bauphase.

Die Zahlen, die ermittelt wurden: Kaiserstraße (Nr. 145 vor Gepäckraum) Do: 13.555, Sa: 18.761, (Vorjahr: 26.127), Lammstraße (Coloretti) Do: 6.512, Sa: 13.739 (Vorjahr: 16.658). Sarkastisch gesagt: Wenn – wie unlängst zu lesen war – inzwischen 44 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt aus dem IT-Bereich kommen, liegt der Umkehrschluss nahe, dass man es nun einfach gut sein lässt mit den nervigen Einzelhändlern. Deren Gewerbesteuerausfälle, die sowieso nie in eine Kostenrechnung miteinflossen, sind im Vergleich dazu wohl Makulatur. Nur: Das ab Januar neu aufgestellte Stadtmarketing allein wird nicht alles richten können, Politik und Stadtplaner sind am Zug. Denn der neue, von der SPD vorgeschlagene Referatschef Daniel Fluhrer im Rathaus, derzeit noch Stadtplanungsamtschef in Esslingen am Neckar, wird BM Obert dann erst in einem Jahr nachfolgen.

Zur Kultur: Einen wichtigen Punktsieg erringen konnte die im Dauerclinch mit dem ungeliebten Untermieter Kurbel liegende klamme Kinemathek. Nach der Kulturausschusssitzung am 12.10.2017 wurde mit 37 zu neun Stimmen endlich der Sperrvermerk über den 20.000-Euro-Zuschuss vom Gemeinderat aufgehoben. Dank der festgeschriebenen zusätzlichen Landesmittel in halber Höhe des städtischen Betrages verfügt das kommunale Kino somit über 30.000 Euro für die bereits angelaufene Neustrukturierung; 1.000 weitere Euro gab’s für den „Kinopreis des Deutschen Kinematheksverbundes“, bei dem das kommunale Karlsruher Kino Ende Oktober einen zweiten Preis erhalten hat. Mutmaßlich dagegen votiert haben in der Sitzung die Vertreter von AfD und Kult-Fraktion, zu der auch Lüppo Cramer zählt.

Der pikanterweise in Kulturausschuss wie auch Kurbel-Genossenschaft involvierte KAL-Stadtrat stand unter dem Vorbehalt der Befangenheit, durfte nach dem Dafürhalten des Juristischen Dienstes dann aber doch an der Sitzung teilnehmen, solange er im Rahmen seiner Argumentation keine Partei für „seine“ Kurbel ergreift. Wohl um sich gar nicht erst in diese Gefahr zu begeben, hat sich Cramer selbst ein Redeverbot auferlegt. In der hiesigen Monopolpresse war über diesen Vorgang nicht mal auf den Lokalseiten ein Wort zu lesen. Dafür in 125.000-facher Auflage vom „Skandal“ an der Topsy-Tür, wo sich „Spider Murphy Gang“-Sänger Günther Sigl auf Heimatbesuch unerkannt draußen die Füße plattstehen musste, während drinnen lustigerweise Rosies Nummer lief. Die auf der überregionalen Kulturseite als überdimensionierter „Buchtipp“ verbrämte Titelstory drückte sogar den Tod von Fats Domino an den Rand. Eigentlich eine ideale Steilvorlage für unsere schon lange in der Ideenschleife befindliche Fake-News-Rubrik.

Zur Fan-Kultur: Derweil versucht KSC-Geschäftsführer Helmut Sandrock erneut, sich aus einer Affäre zu ziehen. Diesmal geht’s allerdings nicht ums Sommermärchen, sondern um zwei Handvoll Alt-Hools, die beim KSC-Heimspiel gegen Erfurt drei neutral gekleidete Stadiongänger anhand eines „Tote Hosen“-Buttons an der Cap als „linke Zecken“ und „Kommunistenschweine“ identifiziert und mal eben eigenmächtig aus „ihrem“ B9-Block verjagt haben, während Ordner und Zivilpolizei lieber den bequemen Weg des geringsten Widerstandes gingen, sprich: die Angegriffenen aus dem Block leiteten.

Genau wie Sandrock, der sich zwar von Gewalt, extremem politischem Gedankengut und Selbstjustiz distanziert, aber unterm Strich auch nichts Besseres zu tun hat, als sich gleichzeitig mit beschwichtigenden Nullinger-Aussagen aufs laufende Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt zu berufen, die deshalb auf Facebook getätigten Frustbekundigungen der Geschädigten moralisch zu maßregeln – und die „vom Downgrade betroffenen Fans“ (von denen sich bis zum Vorfall allerdings nur einer den Blau-Weißen wirklich verbunden fühlte) zu einem KSC-Spiel auf die Haupttribüne einzuladen... Ist ja auch alles kein Grund zur Veranlassung. Da konnte selbst der sich einschaltende Verein „Blau-Weiss statt Braun – KSC-Fans gegen Nazis“ nichts ausrichten.

Wir meinen: Besser mal ein Beispiel an der Serie A nehmen, wo Rassismus im Stadion an der Tagesordnung ist. Nachdem Ultras von Lazio Rom den verhassten Stadtrivalen einen knappen Monat nach den Vorkommnissen in Karlsruhe mit einem Bild von Anne Frank zu schmähen versuchten, befahl der Präsident seiner Mannschaft beim Aufwärmen vor der nächsten Partie, Trikots mit dem Konterfei der Verunglimpften zu tragen. Also Herr Wellenreuther, lieber Campino: Hosen-Trikots für den KSC! Oder gleich Totenkopf-Buttons für jeden im Stadion. Und am besten noch ein „Laune der Natour“-Antirassismus-Open-Air im Wildparkstadion obendrauf! -rw/pat

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