Wohnraum bleibt Mangelware

Stadtleben // Artikel vom 01.03.2024

Die Wohnung in der Stadt wird zum raren Gut.

Die Wohnung in der Stadt wird zum raren Gut. Die schlechte Nachricht obendrauf: Es wird nicht besser. In Karlsruhe fehlen bis 2035 über 14.000 Wohnungen. In den vergangenen Jahren kamen aber pro Jahr durchschnittlich nur etwa 450 neue Wohnungen hinzu. Selbst wenn die Stadtentwicklungsstrategie 2035 aufgehen würde, fehlen auch dann noch 4.000 Wohnungen. Nach den Vorstellungen der Verwaltung sollen die Wohnungssuchenden ins Umland ausweichen. Doch der schleppende Wohnungsbau macht selbst dieses Ziel kaum noch erreichbar. Nach dem städtischen Szenario sollte in diesem Jahr die Bautätigkeit eigentlich fast vervierfacht werden und bis 2027 über 4.000 Wohnungen entstehen. Mit Blick auf die erteilten Baugenehmigungen in der Stadt Karlsruhe ist dieses Ziel in weiter Ferne.

Nach den neuesten Zahlen wurden 2021 und ’22 nur jeweils für etwas mehr als 500 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt. Die Krise der Bauindustrie aus gestiegenen Zinsen und Inflation zeigte sich in aller Deutlichkeit aber erst im Vorjahr und führte in Ba-Wü zu einer Reduzierung der erteilten Baugenehmigungen für Wohnungen um über 30 Prozent gegenüber 2022. Für Karlsruhe dürften die bald zur Veröffentlichung anstehenden Zahlen nicht besser aussehen. Besonders drastisch trifft die Wohnungskrise sozial Schwache: Seit 2010 reduzierte sich die Anzahl günstiger, weil geförderter Wohnungen in Karlsruhe um fast ein Drittel. Die Links-Fraktion im Gemeinderat forderte daher, dass künftig allen Neubauprojekten auferlegt werden solle, mehr als die Hälfte der Wohnungen in diesem bezahlbaren Segment zu schaffen. „Nur wenn die Stadt das vorhandene Instrument des Baugesetzbuchs zu nutzen bereit ist, können Hunderte von dringend benötigten Sozialwohnungen – Wohnungen mit bezahlbaren Mieten – entstehen“, sagt Mathilde Göttel aus der Links-Fraktion. Zudem soll ein städtisches Mietmonitoring wie in Freiburg „Mietwucher“ verhindern. Denn die Folge des Wohnungsmangels sind steigende Mietpreise.

Statt Wohnungen werden in Karlsruhe derzeit vor allem Hotels gebaut; über 1.200 Hotelzimmer entstanden allein seit 2022. 440 weitere sind geplant. Die Planungen stützen sich auch auf ein Hotelgutachten von 2016, weit vor der Corona-Krise. Die Stadtverwaltung hat zwar ein neues Gutachten in Auftrag gegeben; mit Ergebnissen ist aber erst im Lauf des Jahres zu rechnen. Das Überangebot an Hotels besteht schon jetzt. Bundesweit soll aktuell in normalen Zeiten nur jedes dritte Hotelbett vermietet sein. Allein im Motel One in der Kriegsstraße entstehen 323 zusätzliche Zimmer. Nach mehreren Verschiebungen soll das Gebäude der Unmüssig Bauträgergesellschaft im März eröffnet werden. Gegenüber im ehemaligen Postgiroamt will dieselbe Baugesellschaft bald den Abriss starten. Auf Basis von zwei von der Firma Unmüssig beauftragten Gutachten will die Stadtverwaltung grünes Licht für einen Neubau geben. Die höhere Umweltbelastung will das Stadtplanungsamt in Kauf nehmen. „Mit dem Abbruch und der Entsorgung des Abbruchmaterials des ehemaligen Postgiroamtes geht ein großes Volumen an grauer Energie verloren. Auch der Energieeinsatz für einen Neubau ist erheblich“, heißt es in einer Stellungnahme des Amtes. Eine Sanierung des Gebäudes sei besonders für den angestrebten Wohnungsbau unwirtschaftlich, so die Gutachten. Doch wie viele Wohnungen im Postgiroamt überhaupt entstehen sollen, ist noch unklar.

Dagegen sind an einer der größten Baustellen für neue Wohnungen kaum Fortschritte zu erkennen. Nachdem die Gröner Group Anfang des Jahres ankündigte, dass ihre Bautätigkeit auf dem C-Areal in der Nordstadt „ab sofort fortgesetzt“ werde, bleiben diese augenscheinlich unsichtbar. Gröner-Finanzvorstand Martin Müller machte für den langen Stillstand auf dem C-Areal die finanziellen Schwierigkeiten der gesamten Baubranche verantwortlich (s. INKA #179, Februar-Ausgabe). Mit seiner Firma GEM, einer Gröner-Tochter, musste er bereits vergangenes Jahr bei der Stadt eine Stundung seiner Gewerbesteuerzahlung beantragen. Diese und andere Fragen zur Gröner Group beschäftigen auch die Links-Fraktion: In einer kleinen Anfrage schickten sie 44 Fragen an die Stadtverwaltung und wollte dabei wissen, ob die Stadt auf stockende Bautätigkeiten und Insolvenzen von Immobilienentwicklern vorbereitet sei. Im Mittelpunkt standen dabei Bauprojekte von Gröner und Müller in Karlsruhe. „Der Niedergang des Benko-Imperiums hat gezeigt, wie spekulativ und riskant in der Immobilienbranche vorgegangen wurde. Wo große Gewinne über Jahre abgeschöpft wurden, wird nun sichtbar, dass viele Projekte und Geschäftsmodelle auf Sand gebaut sind“, begründet Göttel den Antrag. Doch OB Frank Mentrup reagierte ungewöhnlich auf die Anfrage: Statt wie sonst üblich im öffentlichen Teil des Gemeinderats wollte er die Antworten auf die Fragen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit geben. Auf INKA-Anfrage berief sich die Stadtverwaltung bei diesem Schritt auf das „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und/oder das Steuergeheimnis von Unternehmen“. Für die Links-Fraktion ist das unverständlich. Die Argumentation beträfe, wenn überhaupt max. fünf der 44 Fragen. „Kern unseres Anliegens ist, dass Fragen zur Zusammenarbeit der Stadtverwaltung mit privaten Investoren im Baubereich öffentlich beantwortet werden.“

Derweil sorgt sich die FDP um die „offenkundigen Leerstände“ in der Innenstadt und wünscht sich mehr Wohnungen, Markthallen, Gastronomie oder auch Grünflächen in der Innenstadt. Letzteres wäre auch ein Mittel gegen die Hitze im Sommer, die die SPD mit Sonnensegeln und anderen Verschattungselementen über der Kaiserstraße lindern will. Vorbild sind entsprechende Schattenspender in südeuropäischen Ländern. Das Stadtplanungsamt sieht dafür in Karlsruhe keine Möglichkeit; die erforderlichen Wandanker gefährdeten die Statik der Gebäude. Dazu fehle es an der Zustimmung der Eigentümer. Stattdessen sollten Schirme und Pflanzen wie auf dem Marktplatz die Kaiserstraße abkühlen – doch dafür fehle es wiederum am Geld. -fk

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