Weg von der Dose?

Stadtleben // Artikel vom 07.11.2008

Ein Porträt des Graffiti-Künstlers Dome, der das INKA-Titelblatt der aktuellen Ausgabe gestaltet hat.

Berührungsängste hat Christian Krämer nicht. Er findet es klasse, wenn ihm die Leute bei der Arbeit über die Schulter schauen. Inzwischen sieht man den Karlsruher Graffiti-Künstler aber gar nicht mehr so oft in seiner Heimatstadt: Der 33-Jährige ist ständig auf Achse, reist nach Italien, Spanien und demnächst nach Brasilien. Mit einem brasilianischen Sprayer hat er gerade ein gemeinsames Werk an der freigegebenen Wand unweit vom Kühlen Krug an der Alb gestaltet.

Die Geisha stammt von seinem Kollegen, er selbst hat einen filigranen, langgliedrigen Flötenspieler obendraufgesetzt. Seit ein paar Jahren malt und sprayt er diese eigenwilligen Figuren mit den spinnenartigen Gliedern in grellem Rosa. Bunte Fetzen hängen an ihren Leibern, mit Schablonen setzt Krämer alias Dome Muster auf deren Kleider. Menschen und Maskerade sind seine großen Themen. Eigentlich will er weg von der Dose, mehr mit dem Pinsel machen, doch der spontane Gestus des Sprayens gefällt ihm noch immer. Flötenspieler und Vögel gehören zu den wiederkehrenden Motiven.

Was steckt hinter der Maskerade, sind wir nur oberflächliche Marionetten, deren Fäden andere in den Händen halten? Karlsruhe sei nicht sehr offen für Graffiti-Kunst, beklagt der sympathische Mann ganz ehrlich. Etliche Behördengänge müssen erst erledigt werden, bevor Fassaden bearbeitet werden dürfen. „Ich kann nicht jedes Mal eine neue Genehmigung einholen. Unsere Kunst entsteht spontan, wir treffen uns, ziehen los und malen“, erzählt Dome: „Einmal habe ich auf Gran Canaria gemalt, da kam jemand, dem hat das so gut gefallen, der wollte gleich, dass ich bei ihm zu Hause was mache, der fragte nicht lange nach einer Genehmigung.“

Meist sind mehrere Leute gleichzeitig an einer Wand, es gibt einen regen Austausch. „Die Graffiti-Szene hat ein gut funktionierendes weltweites Netzwerk, ich könnte heute in Australien anrufen und morgen dort bei jemandem wohnen, ein bisschen wie eine Hippiekommune“, lächelt er und entfernt seinen Mundschutz. Mittlerweile trägt seine Arbeit Früchte. Überhaupt scheint sich die Graffiti-Kunst zu etablieren. Immer mehr Galerien stellen solche Künstler aus, auch Dome arbeitet derzeit viel auf Leinwand und hat gerade in Durlach eine große Einzelausstellung.

Wenn Dome nicht auf Graffiti-Festivals unterwegs ist, sitzt er meist in seinem Atelier im Gotec und zeichnet Skizzen oder Bilder. Mit 16 sprühte er zum ersten Mal an Haltestellen, entfernte aber alle Schriftzüge wieder. Seither arbeitet er nur an Free-Walls, öffentlichen Flächen, die legal genutzt werden können. Anfänglich hielt sich Dome auch mit Auftragsarbeiten über Wasser. „Dabei muss man sich oft verbiegen, das wollte ich nicht mehr machen“, erklärt der Künstler. Dome hat eine eigene Bildsprache gefunden, seine stimmungsvollen figurativen Bilder gehen einem nicht so schnell aus dem Kopf: Sie erzählen Geschichten, sie ziehen die Blicke an, sie verführen zum Nachdenken. „Alles entwickelt sich beim Malen, die Formen verändern sich auch im Laufe der Zeit“.

Demnächst stellt er in Mailand aus, eigentlich braucht er in der Fächerstadt nicht mehr um Fläche zu buhlen, doch ein Ziel hat der kontaktfreudige Zeitgenosse hier noch: „Die Fassade des Hochhauses an der Ecke Brauer- und Kriegsstraße, die würde ich gerne bemalen. Wir haben Erfahrung mit großen Fassaden, schade, dass die Stadt uns an Randbereiche drängt.“ Vielleicht sollten die zuständigen Kulturbeauftragten sich mal bei Gunter Sachs eine Scheibe abschneiden.

In den 1950ern stellte der Kunstsammler und Industriellenerbe Andy Warhol aus und kaufte anschließend einen Großteil der Werke, die damals niemand haben wollte. Vergangenes Jahr ließ er seine Wohnung am Wörthersee von den Schweizer Graffiti-Künstlern Dare und Toast gestalten. Dome, der übrigens den Stardesigner Colani schätzt, stellt einstweilen in der Rahmenhandlung (Galerie im Schlachthaus, An der Stadtmauer 10, Durlach) aus. Eröffnet wird am 7.11. um 19 Uhr. -ub

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