Sparhaushalt: Leistungsqualität senken & Investoren einladen

Stadtleben // Artikel vom 02.12.2021

„In den zukünftigen Jahren wird wieder verstärkt gelernt werden müssen, dass nicht alles Wünschenswerte ohne Prioritätensetzung und ohne Einschränkung an anderer Stelle sofort umgesetzt werden kann“, setzt die Stadtkämmerei im Haushaltsentwurf für die kommenden Jahre auf einen strikten Sparkurs.

Die Auswirkungen der Pandemie seien dabei nur ein „Augenöffner für längst einzuleitende und notwendige Gegensteuerungsmaßnahmen innerhalb der Stadt Karlsruhe“. Auf Seiten der Politik und großen Teilen der Verwaltung seien die wachsenden Ausgaben für Mobilität, Kinderbetreuung und Soziales zwar gesehen, aber es sei nicht entsprechend gehandelt worden, kritisiert die Kämmerei.

Bei ihrem Haushaltsentwurf für die Jahre 2022 und ’23 geht die Stadtverwaltung von einem Minus von 74,6 bzw. 64,3 Mio. Euro aus. Zuvor war das Ergebnis in der mittelfristigen Finanzplanung sogar auf 145,7 bzw. 168,9 Mio. Euro geschätzt worden. Die Einnahmenverbesserungen und Einsparungen von insgesamt knapp 176 Mio. Euro gehen vor allem auf die Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes und eine Senkung des Zuschusses an die Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafengesellschaft (KVVH) zurück. Dazu fordert die Stadt ihre in der KVVH versammelten Tochtergesellschaften Rheinhafen, Stadtwerke und Albtal-Verkehrs-Gesellschaft auf, ihre „Ertragskraft zu steigern“ sowie von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe und der für die Kombilösungsbauer verantwortlichen Tochter Kasig „ihre Defizite zu senken“. Die geplante Verpackungssteuer wurde hingegen aus „rechtlichen und zeitlichen Gründen“ vorerst auf 2023 verschoben.

Um Mittel einzusparen, will OB Frank Mentrup darüber hinaus eine „Verschlankung der Verwaltung“. Er kündigte in seiner Haushaltsrede an, den „Generationswechsel in den kommenden Jahren nutzen, um fünf bis zehn Prozent des Personals abzubauen. Es gelte: „Ansprüche zu reduzieren. Wir können uns nicht mehr am höchsten Standard zu orientieren.“ Beste Qualität sei nicht mehr zu leisten. Zudem wolle er in den kommenden Jahren die Entwicklung zu mehr Homeoffice nutzen, um Gebäudekosten zu senken und sich von Immobilien zu trennen, beschreibt der Oberbürgermeister seine Einsparpolitik „nach innen“. Er lädt zur Diskussion über weitere Einsparungen ein, bei der gelte, die Ausgaben „auf absolut notwendiges zu beschränken, statt jeden Euro für das Wohl der Bürger auszugeben.“Dazu will der OB auch stärker private InvestorInnen zur Finanzierung gewinnen. „Was uns fehlt, ist ein Gefühl von Mäzenatentum“, sagte Mentrup und wünscht sich für die Kultur eine stärkere Beteiligung privater Gönner.

„Gut gefallen“ würde ihm eine private Finanzierung von zehn Prozent des bisherigen Kulturhaushalts. Kritiker sehen einen solchen teilweise Rückzug der öffentlichen Hand aus der Finanzierung der Kultur als „völlig falschen Ansatz, der einseitig vermeintlich attraktive Schaufenster-Projekte“ mit Aussicht auf hohe Gewinne oder Prestige fördere. Doch auch im Wohnungsbau wirbt Mentrup darum, die Zusammenarbeit zwischen privatwirtschaftlichen Investoren und öffentlicher Hand auszubauen. „Auch namhafte Karlsruher Unternehmen und Institutionen verfügen aktuell zum Teil über eine sehr hohe Liquidität“ und Karlsruhe sei „für private und professionelle Investoren ein sehr attraktiver Platz“. Mentrup will sie für Investitionen „in günstigen Wohnraum mit sozialer Bindung“ gewinnen und bietet die städtische Volkswohnung als „Kooperationspartner, bspw. bei der Bewirtschaftung der Gebäude“ an.

Wie die vornehmlich an großer Rendite interessierten Banken, Versicherungen und Immobilienfonds ausgerechnet für den sozialen Wohnungsbau interessiert werden sollen, blieb auch auf Anfrage offen. Neben der Reduzierung von Personal und Leistung sowie deren teilweiser Privatisierung verschiebt und reduziert die städtische Sparpolitik auch Instandhaltung- und Sanierungsmaßnahmen über fast alle Bereiche der Stadt. Ein neues Pflaster für die Kaiserstraße wird dagegen als unverzichtbar erachtet. Knapp elf Mio. Euro sind dafür im Sparhaushalt reserviert. Für fast die Hälfte des Haushaltsdefizits sind die Betriebs- und Folgekosten der Kombilösung verantwortlich, jeweils ca. 30 Mio. Euro sind dafür in den kommenden zwei Jahren eingeplant, Tendenz steigend. Die Kosten könnten noch höher werden, wenn es bspw. den Stadtwerken nicht gelingt, ihre Ertragskraft z.B. durch höhere Gas- und Strompreise zu stärken.

Ob das Defizit letztlich so hoch sein wird, wie die Stadtkämmerei berechnet, ist lange nicht ausgemacht. Bereits 2016 wurden im verbreiteten Spardruck die Zuschüsse an kulturelle und soziale Träger nach dem Rasenmäherprinzip gekürzt – bis heute ohne Ausgleich. In den beiden Folgejahren erwirtschaftete die Stadt dann einen Überschuss von insgesamt 300 Mio. Euro. Auch der Haushalt 2021 schloss statt mit einem Minus von 51 Mio. Euro um 55 Mio. besser ab als von der Kämmerei geplant. So winken nach der jüngsten Steuerschätzung auch in den nächsten Jahren zusätzliche Einnahmen, die im städtischen Haushaltsentwurf nicht berücksichtigt sind. Für Baden-Württemberg geht das Finanzministerium von 19,2 Mrd. Zusatzeinnahmen aus Steuern aus, wovon 6,6 Mrd. den Kommunen und Städte zustehen. -fk

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