November Rain: Staubemissionen über Karlsruhe
Stadtleben // Artikel vom 22.12.2015
Einerseits bekam die Stadt eben den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ überreicht, andererseits ist die Luftqualität wieder so schlimm wie in den 70er Jahren.
Und wird gerade unerträglich: Kräuteranbau auf dem Balkon oder Fenstersims unmöglich, die Fenster mit leicht klebrigem Staub überzogen, der Radsattel morgens mit einer fetten Staubschicht bedeckt und wer bei entsprechender Windrichtung lüftet, hat den Staub gleich massiv in der ganzen Wohnung verteilt. Was ist denn hier los? Das neue Kohlekraftwerk? Dem ist nicht ganz so.
Die massiven Staubemissionen, die neben Mühlburg und der Weststadt auch die City betreffen, stammen mutmaßlich u.a. auch von der Firma Mineralix, die neben der Wertstoffstation im Rheinhafen ihre Bauschuttrecyclinganlage betreibt. Der Schutt wird dort unter freiem Himmel gelagert – und die Anlage soll noch erheblich erweitert werden. INKA befragte dazu Joachim Fischer vom Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Genehmigungsbehörde und Harry Block vom BUND, der das Geschehen öffentlich gemacht hat.
INKA: Herr Fischer, wie ist der aktuelle Stand in Sachen Mineralix?
Joachim Fischer: Die Behauptung, „die Staubemissionen stammten mutmaßlich von der Firma Mineralix“, ist nach unseren Erkenntnissen nicht belegt. Die bestehende Anlage ist immissionsschutzrechtlich genehmigt und entspricht dem Stand der Technik. Die erforderlichen Staubminderungsmaßnahmen wie Befeuchtung und Beregnung sind vorhanden. Nachbarschaftsbeschwerden liegen dem Regierungspräsidium nicht vor. Im Oktober 2015 hat die Firma Mineralix GmbH eine Vorplanung zur Errichtung und zum Betrieb einer Neuanlage für Bauschuttrecycling und Sortieranlage für mineralische Abfälle im Regierungspräsidium vorgestellt. Zu dieser Besprechung waren Vertreter einzelner Fachbehörden der Stadt Karlsruhe, Gutachter und der BUND geladen. Ein konkreter Antrag wurde bisher nicht vorgelegt.
INKA: Die Staubbelastung etwa in Mühlburg und der Weststadt ist massiv. Gibt es Analysen, aus was der Staub besteht und wie gesundheitsgefährdend er ist?
Fischer: Zu der angeführten Staubbelastung liegen dem Regierungspräsidium keine Erkenntnisse vor. Aktuelle und rückblickende Daten zur Luftqualität im Stadtgebiet von Karlsruhe finden sich auf der Website der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg unter www.lubw.baden-wuerttemberg.de/lubw.
INKA: Kann man die Firma nicht zwingen, ihren Staub in einer Halle zu lagern?
Fischer: Nach der vorliegenden Planung ist keine Lagerung und Behandlung von staubförmigen Abfällen im Freien vorgesehen. Diese Abfälle sollen im Silozug angeliefert und dann über geschlossene Schlauchsysteme in Silos zwischengelagert werden. Allerdings ist die Lagerung von nichtgefährlichen mineralischen Abfällen wie Bauschutt und Bodenaushub im Freien vorgesehen. Auch die neue Anlage bedarf einer Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz. Diese kann nur nach strenger Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erteilt werden. Der Antragsteller hat darzulegen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Grundsätzlich bleibt die Wahl der Anlagentechnik dem Vorhabensträger überlassen, sofern die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.
INKA: Wie ist das weitere Vorgehen der Umweltbehörden?
Fischer: Eine Genehmigung ist derzeit noch nicht beantragt, da es Gegenstand einer Prüfung durch den Vorhabensträger ist, ob und mit welcher Detailplanung die Firma Mineralix eine Genehmigung beantragt. Auf Grundlage dieses Antrags würde dann ein Genehmigungsverfahren durchgeführt.
INKA: Herr Block, konnte der BUND analysieren, aus welchen Bestandteilen die Staubemissionen bestehen?
Harry Block: Das Industriegebiet Rheinhafen ist ein gewaltiger Schadstoffproduzent für unsere Karlsruher Luft. Da sind die zwei Kohlenblöcke, die Hunderte von Tonnen giftiger, lungengängiger Feinststäube an unsere Atemluft abgeben. Dazu kommen die rund 20 Abfallbetriebe, die ebenfalls durch Stäube ihren Beitrag an den Gesamtemissionen leisten. Nicht zu vergessen sind die Tanklager, die wiederum mit einem besonderen Gemisch von giftigen Gasen die Atmosphäre belasten. Und nun kommt eine Shredderanlage hinzu, von der wir noch nicht wissen, aus was genau die beantragten 250.000 Tonnen Abfall zusammengesetzt sind. Die Anlage besteht aus zwei Teilen: der Behandlungsanlage und der Lagereinrichtung für die beantragten 100.000 Tonnen. Was aus den Abluftanlagen der Shredderanlage abgegeben wird, können wir erst dann beurteilen, wenn die Müllchargen genau beziffert sind. Die beantragten Abfallschlüssel deuten aber darauf hin, dass so ziemlich alles, was es an Abfall gibt, von der Firma auch zur Annahme beantragt wird. Es gibt eine Einschränkung, die positiv anzusehen ist: Es sollen nur die harmloseren Schadstoffklassen von allen Abfallschlüsseln angenommen werden.
INKA: Was ist aus Ihrer Sicht zu tun und was können die Umweltbehörden beitragen?
Block: Der Eingangsüberwachung des anzunehmenden Abfalls gilt unsere vorwiegende Aufmerksamkeit. Wir müssen dafür sorgen, dass bei der Annahme des Abfalls sorgfältig durch geeignete technische Maßnahmen darauf geachtet wird, dass wirklich nur der Müll angenommen und behandelt wird, der angegeben wurde und für den die Firma eine Genehmigung besitzt. Die Filter der Anlage müssen den höchsten Standard besitzen – das heißt, wir fordern nicht den Stand der Technik, sondern den fortschrittlichen Stand derselben. Und Shredderanlagen sind laut. Die Einhausung wird beim Minimieren der Lärmbelastung eine erhebliche Rolle spielen. Genauso werden wir die Einhausung des Lagers fordern, weil in unseren heißen Sommern das Material schnell austrocknet und dann über das Hafengelände geweht wird. Außerdem liegt die Anlage in geringem Abstand neben einem hochempfindlichen Naturschutzgebiet, der Burgau. Die Auswirkungen wollen wir genauso untersucht wissen, wie der von Wildbienen bevölkerte Wasserschutzdamm, der stark erhöht wieder aufgebaut werden soll.
INKA: Dem Vernehmen nach sollen bei der Firma zukünftig auch die Bauschuttabfälle aus dem AKW Philippsburg entsorgt werden. Dürfen wir uns dann auf einen schwach radioaktiven Fallout freuen?
Block: In der Region Karlsruhe geben nur das Institut für Transurane und die Hauptabteilung Dekontamination des KIT Nord, das ehemalige Kernforschungszentrum Karlsruhe, radioaktive Emissionen an die Atmosphäre ab. Das müssen wir leider ertragen. In Philippsburg und im KIT Nord werden in den nächsten Jahren Hunderttausende Tonnen von Bauschutt und Metall anfallen. Und Deponieraum ist knapp. Da böte sich eine standortnahe Behandlung von freigemessenem Bauschutt an, der das Deponievolumen auf wenige Tausend Tonnen reduzieren würde. Deren Behandlung wollen wir auf jeden Fall ausschließen. Dann gibt es auch keine radioaktiv belasteten Stäube in der Region Karlsruhe.
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