KIT und Karlsruhe ohne Geisteswissenschaften?

Stadtleben // Artikel vom 26.10.2009

Der jahrzehntelange Mangel an Studenten der Geisteswissenschaften hat auf Karlsruhe und seine Lebenskultur schleichend-schlimme Auswirkungen.

Als Beispiel nehme man nur die katastrophal ausgebildete Diskurs-Kultur der Stadt, die meist über Schwarz-Weiß-Bilder, über Gegner und Befürworter, Gut und Böse nicht hinauskommt. Werden im Zuge des allumjubelten KIT nun auch noch die letzten Reste der Geisteswissenschaften abgewickelt? Wir lassen die Betroffenen selbst zu Wort kommen. -red

Eine Sonderrolle hatten die Geistes- und Sozialwissenschaften an der Uni Karlsruhe schon immer. Mit 1.125 Studenten machten sie im Wintersemester 08/09 gerade einmal sechs Prozent aller Studenten aus – insbesondere mit den Entwicklungen der letzten Jahre hat sich die Außenseiterposition erheblich verschärft. Die Umwandlung der Universität Karlsruhe zum Karlsruhe Institute Of Technology (KIT) macht deutlich: Hier geht es nur noch um Technik. Die zunehmende Technisierung und Ökonomisierung zur Verbesserung der Gesellschaft macht also auch vor der Uni Karlsruhe nicht halt. Was passiert nun mit den Geistes- und Sozialwissenschaften?

Werden sie am technikdominierten KIT bestehen? Zahlreiche Kooperationsfächer wurden ins Leben gerufen – scheinbar um die Existenz der Fakultät V zu legitimieren. Von Technikfolgenabschätzung über Technikgeschichte bis zu Technikfiktionen, die angehenden Geisteswissenschaftler sollen über Technik philosophieren, reflektieren und diskutieren. Das ist durchaus nicht nur negativ zu bewerten. Denn eine Universität muss sich auch der Verantwortlichkeit bewusst sein, die die Entwicklung neuer Technologien und Innovationen mit sich bringt, und genau dort setzen die Geistes- und Sozialwissenschaften an.

Hier geht es nicht um Nutzen, sondern um Verantwortung. Doch statt die Fakultät zu stärken und auszubauen, begann schon vor Jahren ein sukzessiver Verfall. Studiengänge wurden fusioniert, Institute zusammengelegt. Konnte man in den 90ern noch aus einem breiten Fächerangebot wählen, stehen seit letztem Semester nur noch drei Hauptfachstudiengänge zur Auswahl: Pädagogik, Germanistik und EUKLID (Europäische Kultur- und Ideengeschichte). Nachdem Philosophie und Geschichte nur noch als Schwerpunkt im Fach EUKLID studiert werden können, steht auch die Schließung des Instituts für Kunstgeschichte zur Debatte.

Auch in den Ergänzungsfächern zeichnete sich mit der Abschaffung des eigenständigen Faches Journalismus ein Rückgang ab. Ob sich in Zukunft die Geistes- und Sozialwissenschaften nur noch in dem Kompetenzbereich „Technik, Kultur und Gesellschaft“ wiederfinden, bleibt abzuwarten. Mit zahlreichen Werbeartikeln wird versucht, die Studenten für das KIT zu begeis­tern – ob sich Geistes- und Sozialwissenschaftler von USB-Ventilatoren und KIT-Rucksäcken überzeugen lassen?

Die Skepsis unter den Studenten ist groß. Sarkastisch wird bei Power-Point-Präsentationen das KIT-Logo kommentiert; die Frage, was ein Geisteswissenschaftler mit einem KIT-Zeugnis anfangen soll, bleibt dabei offen. -uc

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 9 und 4.

WEITERE STADTLEBEN-ARTIKEL