Frauenperspektiven 2009

Stadtleben // Artikel vom 14.03.2009

Dieses Jahr rückt das Kulturfestival „Frauenperspektiven“ ein Land in den Vordergrund, das meist für negative Schlagzeilen sorgt.

Präsident Ahmadinedschad und die Atombombe, Iran als Protagonist der „Achse des Bösen“, ein islamischer Gottesstaat, in dem die Scharia gilt und Frauen nicht halb so viel wert sind wie Männer. Von der einstigen Faszination, die Persien früher auslöste, ist nach der islamischen Revolution 1979 kaum noch etwas zu spüren. Junge Iranerinnen suchen in ihrer überwiegend frauenfeindlichen Heimat vielfach Nischen, um sich zu verwirklichen. Aber wie passen ein Kopftuch, ein Pflaster und Nagellack zusammen?

Das Gesetz verbietet ihnen viele Dinge, unter anderem das Singen, weil ihre Stimmen zu verführerisch seien. Dennoch umgehen diese Frauen Verbote, arbeiten in höheren Positionen und lassen sich die Nase nach den westlichen Schönheitsidealen operieren (daher das Pflaster!). Die Spannung zwischen Stillstand, Tradition und Aufbruch beschäftigt viele Künstlerinnen aus dem Iran. Es verdient große Hochachtung, dass sich die Stadt Karlsruhe mit dem alle zwei Jahre ausgetragenen Kulturfestival nun ausdrücklich einem brisanten und politischen Thema widmet.

Ohne Scheuklappen, mit offenen Augen, hat das Festivalteam aus allen Bereichen Künstlerinnen zusammengetrommelt, die vom 13.-29.3. ihre Arbeiten vorstellen und diskutieren. Das Plakat verzichtet bewusst auf die übliche Darstellung schwarz verschleierter Frauen: In hellem Blau lädt ein Fliesenmuster mit Landschaftsmotiven zur Annäherung ohne Vorurteile. Denn was verbirgt sich hinter den Schleiern? Wie leben die Iranerinnen ihren Alltag? Mit „Ihr wisst nichts über uns!“ oder „Wir sind doch ganz anders“ sind beispielsweise Bücher oder Aufsätze überschrieben.

40 Veranstaltungen wird es in Karlsruhe und der Region geben, ein 80 Seiten dichtes, sehr informatives und schön gestaltetes Programm liegt in den Kultureinrichtungen aus. Das Angebot reicht von Lesungen und Vorträgen über Ausstellungen, Konzerte, Filme bis hin zum großen persischen Neujahrsfest, das gemeinsam im Bürgerzentrum der Südstadt gefeiert wird. Der „gekreuzte Blick“ ist Festivalleiterin Elisabeth Schraut wichtig, das heißt, sowohl Iranerinnen, die im Iran leben, kommen zu Wort als auch solche, die hier leben, oder aber deutsche Frauen, die (wie beispielsweise Christiane Hoffmann) längere Zeit im Iran lebten.

Schon der Festivaltitel „Tausendund_ein Iran“ spielt einerseits auf das romantische Persien mit 1001 Nacht an, ohne jedoch den heutigen Staat außer Acht zu lassen. Die Frauenperspektiven verstehen sich auch, wie Kulturbürgermeister Wolfram Jäger betont, als deutsch-französisches Projekt, für das mit dem komplett zweisprachigen Programm sogar in der Partnerstadt Nancy geworben wird.

Im Centre Culturel Franco-Allemand wird die iranisch-französische Journalistin Delphine Minoui über „Khomeinis Töchter“ sprechen (15.3., 11 Uhr). Über ihre schwere Zeit im Gefängnis berichtet Monireh Baradaran, zu Gast in der Literarischen Gesellschaft. Sie war neun Jahre inhaftiert und floh nach ihrer Freilassung 1990 nach Deutschland (16.3., 20 Uhr). Ein ähnliches Schicksal erlitt Nargess Eskandari-Grünberg, die sogar eine Tochter im Teheraner Gefängnis gebar, bevor ihr 1986 die Flucht hierher gelang (Jubez, 24.3., 20 Uhr).

Nicht wenige dieser Frauen haben harte Schicksalsschläge hinter sich. Die Künstlerin Parastou Forouhar beispielsweise hat vor zehn Jahren ihre Eltern verloren. Beide wurden kaltblütig ermordet, nur weil sie eine andere Meinung als die Regierung hatten. Forouhar verflicht in ihren Arbeiten harmlose Miniaturmalerei mit Gewalt und Folterszenen. Die Ausstellung wird von der Mir Mohammedi Stiftung für Menschenrechte unterstützt und am 15.3. um 17 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin eröffnet.

Ein sehr üppiges Programm ist am Sa, 14.3., dem Tag nach der offiziellen Eröffnung, geboten: Zeitgenössische Kalligrafie ist im Brückenraum der Stadtbibliothek zu sehen (Eröffnung: 14.3., 18 Uhr), während im GEDOK Künstlerinnenforum Mamak Azarmgin traditionsreiche Illumination (Buchkunst) vorstellt (Eröffnung: 14.3., 18.30 Uhr). Die in Baden-Baden geborene Fotojournalistin Ulla Kimmig bereiste vier Jahre allein den Iran. Eine Auswahl ihrer eindrucksvollen Bilder ist in der Galerie Bode zu sehen (Eröffnung: 14.3., 19.30 Uhr).

Bereits um 15.30 Uhr wird am selben Tag im Prinz-Max-Palais die Ausstellung „Tehran Blues“ eröffnet. Unterschiedliche Positionen beschäftigen sich mit den widersprüchlichen Aspekten der Lebenssituation im Iran. Die Fotografien von Asoo Khanmohammadi bilden um 14 Uhr im Landesmuseum den Auftakt an diesem mit Vernissagen prall gefüllten Samstag. Zum Ausklang spielt am Abend des 14.3. um 21 Uhr im Kulturzentrum Tempel die iranische Frauenband Mehr (Foto): Der Bandname leitet sich von Mehrbanu, Sängerin und künstlerischer Kopf des Ensembles, ab. Die siebenköpfige Band wird klassische persische Musik darbieten, alte und neue Lieder sowie Vertonungen von Gedichten berühmter Poeten des „Goldenen Zeitalters“ wie Saadi, Rumi oder Hafez.

Wer nach sieben Tagen der Begegnungen mit einer fremden Welt noch Fragen hat, sollte unbedingt das Kabarettprogramm von und mit Parvaneh Hamidi im Jubez (20.3., 20 Uhr) besuchen. Unter dem Motto: „Alles was sie schon immer über den Iran wissen wollten und nie...“ rechnet die junge Frau scharfzüngig mit dem Terror ab, geht aber auch mit westeuropäischen Gesellschaften, die Zwangsehen als kulturelle Eigenheiten relativieren, hart ins Gericht. Sie sagt selbst über sich: „Ich habe einen schrägen Humor. Das hat auch damit zu tun, dass ich aus einem schrägen Land komme, wo an Universitäten gebetet und in den Moscheen Politik gemacht wird.“ Karate, Schleier, Schminke – nichts scheint unmöglich! -ub

Kulturfestival Frauenperspektiven, „Tausendund_ein Iran“, 13.-29.3. in Karlsruhe und Region
www.karlsruhe.de/frauenperspektiven

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