Die Linke fragt – Der Oberbürgermeister antwortet nicht

Stadtleben // Artikel vom 23.04.2024

Gemeinderatsfraktionen können im Gemeinderat bekanntlich Anfragen an die Stadtverwaltung stellen.

Diese Anfragen werden formell eingereicht, der Eingang wird bestätigt und mit einer Dokumentennummer versehen. Sie erscheinen auf der Tagesordnung des kommenden Gemeinderats und damit auf der öffentlichen Website der Stadt. I.d.R. erfolgt mit der Veröffentlichung bereits eine Beantwortung. Bei umfangreichen Anfragen kommen Antworten manchmal später und gelegentlich fragen Fraktionen nach, wenn ihnen die Antworten nicht umfassend oder nicht konkret genug erscheinen. Die Linke-Gemeinderatsfraktion moniert nun, „dass Anfragen nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden und damit für große Teile der Öffentlichkeit unsichtbar bleiben“:

„Wir haben in nun bald fünf Jahren keinen vergleichbaren Fall erlebt, dass Anfragen nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden und damit für große Teile der Öffentlichkeit unsichtbar bleiben. Dies ist nun zweimal hintereinander geschehen. Wir kritisieren dies und fordern eine Änderung des Vorgehens.

Unsere Anfrage zur Vorbereitung der Stadt auf stockende Bautätigkeiten von Immobilienentwicklern wurde in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung geschoben. Grund seien Fragen gewesen, die möglicherweise Geschäftsgeheimnisse von angesprochenen Unternehmen beträfen. Ein Schreiben an den OB und ein Geschäftsordnungsantrag im März-Gemeinderat führten nicht zur gewünschten Öffentlichkeit. Da zudem viele Fragen aus unserer Sicht nicht ausreichend beantwortet wurden, haben wir diese nach der Sitzung benannt und um öffentliche Beantwortung und nochmalige Aufnahme in die öffentliche Tagesordnung der kommenden Gemeinderatssitzung gebeten. Fünf von insgesamt 44 Fragen, die u.U. Geschäftsgeheimnisse betreffen könnten, haben wir hierbei ausdrücklich ausgeklammert (sie haben wir im Antrag geschwärzt.)

Anfang März haben wir eine weitere Anfrage zur Unterstützung von Immobilienprojekten durch Dezernatsleitungen des Rathauses gestellt. Diesmal wurde die Anfrage gleich gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Der OB teilte uns mit, dass ‚dem Informationsanspruch des Gemeinderats einen außerordentlich hohen Stellenwert beimesse‘, dass für die Information aber keine bestimmte Form vorgeschrieben sei. Die Beantwortung solle im Rahmen eines eigenen Termins mit weiteren interessierten Gemeinderäten stattfinden – also ohne Öffentlichkeit.

Wir wollen mit dem OB jetzt nicht über eine Auslegung der Gemeindeordnung streiten – wir suchen keine rechtliche Auseinandersetzung – ganz klar ist für uns aber: die Praxis der Stadtverwaltung war bisher eine andere. Das Angebot zu dem vertiefenden Gespräch haben wir angenommen.

Gleichzeitig haben wir in einem Schreiben an den OB dargelegt, dass wir vorab die Aufnahme beider Anfragen auf die öffentliche Tagesordnung des April-Gemeinderats beantragen und eine öffentlich einsehbare Beantwortung der Fragen – soweit dies bei dem Umfang der Fragen für die Stadtverwaltung möglich ist – bis zum Gemeinderat am 14.5. Nochmals haben wir eine Absage des OB erhalten.

Wir sind der Auffassung, dass einerseits der Gemeinderat ein Informationsrecht hat, andererseits die Stadtöffentlichkeit ein berechtigtes Auskunftsinteresse bzgl. der formellen Anfragen von Gemeinderatsfraktionen und in diesem Fall zur Arbeit und zum Vorgehen der Stadtverwaltung und seiner BürgermeisterInnen bei großen und zentralen Bauprojekten in Karlsruhe hat.

Ob das auch für ihn ein hohes Gut sei? Diese Frage wurde von OB Mentrup nicht beantwortet.

Um was geht es inhaltlich: Das Vorgehen der Stadt bei vier Bauprojekten von Unternehmen der Gröner-Group in Karlsruhe finden wir äußerst fragwürdig:

  • Beim Hofgartenkarrée in der Kussmaulstraßen wurden neue hochpreisige Wohnungen auf dem denkmalgeschützten Gelände der früheren Artelleriekaserne von der GEM Ingenieurgesellschaft gebaut. Wir stellen hier Fragen, ob dem privaten Bauherrn eine denkmalrechtliche Genehmigung erteilt wurde, die weit großzügiger gehandhabt wurde, als dies bei anderen Bauprojekten in Karlsruhe der Fall ist. Wir fragen, ob bzw. warum eine offensichtlich großzügige Auslegung durch OB Mentrup als Dezernatsleiter der Denkmalbehörde oder andere übergeordnete Stellen veranlasst wurde?
  • Beim Baugebiet ‚Zukunft Nord‘ wurden im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens Forderungen der Stadt zum Bau von bezahlbaren Wohnungen nur in einem Mindestmaß zur Auflage an den Bauherrn, wiederum ein Unternehmen der Gröner-Group gemacht. Wir fragen: warum war dies so und warum wurden politische Möglichkeiten bei der Schaffung von Planrecht durch die Stadt nicht genutzt? Wer und warum wurde hier – so nehmen wir dies wahr – ‚ein roter Teppich‘ für den privaten, Investor ausgebreitet?
  • Die Majolika-Immobilie ist noch im Besitz der Stadt. Wir fragen, ob die Stadt alles dafür tut, dass die Majolika im Sinne der Stadt weiterentwickelt wird. Wir sehen deutliche Hinweise, dass Bürgermeister Käuflein und OB Mentrup ein starkes Interesse hatten bzw. haben, die Immobilie an eine private Firmenholding von Christoph Gröner zu vergeben. Wie wurde die Weichenstellung zum Verkauf der Majolika in der Stiftung Majolika, unter Einbeziehung des Mitglieds des Stiftungsrats, BM Käuflein, vorbereitet und entschieden? Was bewegte OB Mentrup in einem Gespräch in Berlin mit Christoph Gröner dazu, das Projekt Majolika mit der Vergabe der Majolika-Immobilie an den privaten Investor weiter zu verfolgen? Gab es in den vorbereitenden Gesprächen Zusagen, vielleicht auch nur Andeutungen der Zusagen durch die Bürgermeister?
  • Bei der Entwicklung eines großen Gewerbegebiets an der Fiduciastr. fragen wir, warum der OB die Planungen im Sinne des Unternehmens in einem verkürzten Planungsverfahrens, zugunsten des Investors, wieder eine Firma der Gröner-Group, durchführen wollte bzw. warum die Sichtweise zu einem solchen verkürzten Verfahren bei den Gemeinderatsfraktionen angefragt wurde.

Es gibt in Karlsruhe bekannte Verbindungen, insbesondere von Martin Müller – auch bekannt als ehemaliger Vize-Präsident des KSC - und der Rathausspitze. Es gab Treffen des OB und auch anderer Bürgermeister nicht nur in Karlsruhe, sondern bspw. am Rande einer Immobilienmesse in München oder einer Kulturveranstaltung in Berlin. Von diesen Treffen erfahren der Gemeinderat und die Öffentlichkeit sehr wenig.

Es gibt Aussagen des Firmenbesitzers Christoph Gröner, dass er andere Bauprojekte nie hätte bauen dürfen wenn er ‚nicht in der Loge immer wieder mit den Bürgermeistern nach einer Lösung gerungen hätte‘. Auf den Ämtern wäre das nicht zu schaffen.

Ein solche Sichtweise sollte doch einen Alarm bei den zuständigen Bürgermeistern auslösen. Sie haben sich nie dazu geäußert.

Die Projekte der Firmengruppe haben allein in Karlsruhe ein immens großes Volumen. Deutlich mehr als einer Mrd. Euro (!) wird von der Gröner-Group, allein für die vier angesprochenen Bauvorhaben angegeben. Ein großer Umsatz und eine große erwartete Rendite hängt an diesen Projekten.

Wir fordern von den Bürgermeistern der Stadt, dass große Bauprojekte der Stadt im Sinne eines Vorteils, eines ‚Gewinns‘ für die Stadtgesellschaft geplant und durchgeführt werden. Und wir fragen bei den von uns benannten Projekten, ob nicht die Interessen der privaten Investoren viel zu sehr – und für Gemeinderat und Stadtöffentlichkeit nicht ausreichend nachvollziehbar – bedient wurden und noch immer werden. Wir sehen die Arbeit der betreffenden Bürgermeister bei den angesprochenen Projekten kritisch.

Wir denken, es ist unser Recht und Aufgabe als Linke-Gemeinderatsfraktion, kritische Fragen zu stellen. Wir fordern von OB Mentrup, eine öffentliche Beantwortung unserer aktuellen Anfragen und die Beibehaltung der Praxis, dass Anfragen und Anträge der Gemeinderatsfraktionen grundsätzlich öffentlich beantwortet und diskutiert werden, sofern nicht nachweisbar rechtliche Gründe dagegenstehen.“

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