Die Anstoß: Impulse gegen die Lethargie
Stadtleben // Artikel vom 19.06.2016
Vor gut zwei Jahren gründete sich „Die Anstoß“, eine Initiative mit studentischem Hintergrund von HfG und Musik bis Architektur und Geoökologie, um neue Impulse für Karlsruhes Kulturleben und Stadtentwicklung zu geben.
Friedemann Dupelius traf Adrian Wagner, Jaro Eiermann und Lisa Kuon im ßpace des Vereins auf frische Sommerrollen mit lecker Dips und ein Gespräch über Anstößigkeiten und Anstöße in und für Karlsruhe.
INKA: Viele Kulturschaffende ächzen derzeit unter den geplanten Kulturkürzungen der Stadt. Wie geht es euch?
Lisa Kuon: Für uns als Low- bis No-Budget-Organisation hat sich vorerst nichts geändert, das betrifft ja vor allem professionelle Institutionen. Ich finde die Kürzungen aber dennoch problematisch und habe den Eindruck, dass sich die Stadt Karlsruhe gerade ein klares Profil gibt, das sehr auf Wissenschaft und Technik fokussiert ist und die Kultur noch stiefmütterlicher als zuvor behandelt. Das ist extrem kurz gedacht, da eine gegenseitige Bereicherung sehr wichtig für ein Stadtleben ist, gerade heute, wo es immer mehr Kooperationen zwischen Wissenschaft und Kunst gibt – am ZKM zum Beispiel, und dort wird jetzt auch gespart!
Jaro Eiermann: Ich finde, dass die Kulturproduktion aus der lokalen Szene heraus in anderen Städten besser funktioniert. Man hat das Gefühl, dass man Kulturinstitutionen als Standortfaktoren sieht und in Broschüren abdruckt, aber Kultur so wie Technologie weiterzuentwickeln, mit heranwachsenden Künstlern vor Ort, das findet zu wenig statt. Unser Ansatz ist, mit dem Potenzial, das es hier zweifelsohne gibt, zu arbeiten.
INKA: Was sind eure Anliegen für die nächste Zeit?
Adrian Wagner: Es verfestigt sich das Konzept, keines zu haben. Wir mögen das Bild einer funktionierenden Tischstruktur – einer Plattform, auf die man Projekte draufstellen kann.
Eiermann: Die Tischbeine müssen aber stark genug sein.
Kuon: Wir brauchen mehr Unterstützung und Mitglieder. Wer interessiert ist, kann zu einem unserer offenen Treffen kommen!
Wagner: Wir hätten noch gern eine höhere Dichte an Veranstaltungen, obwohl schon alle ein bis zwei Wochen etwas im ßpace läuft. Inhaltlich wollen wir bei unserer Ausrichtung mit Ausstellungen, Symposien und Lesungen bleiben. Außerdem sind Kooperationen mit städtischen Kulturinstitutionen angedacht.
INKA: Wie steht es um eure Aktivität in der Stadtentwicklung?
Eiermann: Wir sind in die Entwicklung des „Räumlichen Leitbildes Karlsruhe“ involviert. Für unseren Entwurf haben wir analysiert, wie kreative Städte funktionieren – nämlich nur dann, wenn sich die Kreativen eigene Orte schaffen können.
Wagner: Ein Thema war auch die „tote Mitte“: Die Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt ist kaum gegeben, daher war die Öffnung des Stadtgartens mit in dem Entwurf.
Eiermann: Es gibt ja ein offizielles Innenstadterweiterungs-Projekt mit der Umgestaltung der Kriegsstraße. Das wird noch dauern und steht jetzt sogar wieder auf der Kippe, aber es gäbe schon jetzt einfachere Maßnahmen: Nicht nur mit dem Stadtgarten, auch mit dem Areal hinterm Hauptbahnhof lässt sich etwas machen.
Wagner: Das ist einer der letzten Orte in Karlsruhe, an dem noch nicht jeder Quadratzentimeter durchreguliert ist und es auch mal mehr als 300 Meter zum nächsten Nachbarn sind. Karlsruhe fehlt immer noch ein Ort ohne Regeln und Sperrstunde. Wenn man nicht mal erlaubt, dass etwas im Gewerbegebiet entsteht – wo sollen die Leute dann hingehen? Da sind Städte wie Mannheim oder Heidelberg Karlsruhe voraus.
INKA: Stichwort „andere Städte“: Ihr habt neulich beim Symposium „Stadtgestalten“ den Austausch mit ähnlichen Initiativen aus der Region gepflegt. Wie wichtig ist euch regionales Denken?
Kuon: Ich finde den Austausch extrem wichtig. Wir haben gemerkt, dass es in anderen Städten Leute gibt, die ganz ähnlich denken und arbeiten. Der Projektraum Lotte in Stuttgart war mein persönliches Vorbild für Die Anstoß. Die arbeiten mittlerweile mit der EU, mit Hochschulen und Bibliotheken zusammen.
Eiermann: Man sollte auf jeden Fall die Netzwerke stärken und sich zwischen den Städten zusammenschließen. Damit lässt sich gegenüber der Politik auch besser argumentieren.
INKA: Es ist ja auch kein Zufall, dass so etwas gerade an verschiedenen Orten gleichzeitig passiert.
Wagner: Ja, gerade auch in Baden-Württemberg mit seinen teils extrem konservativen Strukturen.
Kuon: Wir wollen Impulse geben und damit andere Leute inspirieren...
Eiermann: ...und die Karlsruher Lethargie überwinden. Wir, die Kommune, die Bürger, die Kreativen, sitzen alle im gleichen Boot und irgendwo gibt es doch das Geld!
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