„100 Jahre Paul Celan“-Lesung verschoben & weitere Stadtnews
Stadtleben // Artikel vom 29.10.2020
Nachdem wir kurz vor Drucklegung nochmals eine Corona-Begehung im Topsy Turvy angesetzt hatten, sich die Situation aber nun erneut verschärfte, müssen wir die gemeinsam mit Ondine Dietz/Die neue Fledermaus und dem Topsy geplante Lesungsmatinee mit Lyrikwettbewerb zum 100. Geburtstag des großen deutschsprachigen Schriftstellers und Poeten Paul Celan, der im heutigen Rumänien als Sohn jüdischer Eltern geboren wurde, schweren Herzens aufs Frühjahr verlegen.
Aber der wunderbare, von Künstlern entworfene und gestaltete Club in der Hirschstraße ist für eine Lesung wegen seiner verwinkelten Räume ideal, nicht aber unter verschärften (Masken-)Bedingungen. Wir bedanken uns bei den vielen EinsenderInnen, die sich beim Lyrikwettbewerb zum Themenkomplex „Exil und Emigration im eigentlichen und/oder übertragenen Sinne“ beteiligt haben. Die acht Finalisten, die im Frühjahr im Topsy lesen werden, stellen wir in der Dezember/Januar-Doppelausgabe von INKA in einem Special vor.
Unter den aktuellen Bedingungen Ende Oktober 2020 wäre es nicht möglich gewesen, die Veranstaltung auch nur ansatzweise so schön und respektvoll zu präsentieren, wie wir das vorhatten: Lesungen, Performances, Kaffee, Kuchen, Tapas, Winzersekt. Sound. So groß die Freude über die rege Beteiligung am Wettbewerb war, so bestürzend war ein anderer Vorgang: Ein ehemaliger Karlsruher AfD-Kandidat bewarb sich ebenfalls mit einem – allerdings – Thema-verfehlt-Text. Er nahm das Thema „Exil und Vertreibung“ offenbar nicht ernst. Dass dieser auch an den „Karlsruher Literaturtagen“ teilnahm, finde ich mindestens seltsam. Andere wichtige literarisch Aktive nahmen deshalb nicht teil.
Die Frühjahrsausgabe der sehr empfehlenswerten „Text und Musik“-Zeitschrift „Das Wetter“, die als Doppelausgabe auch der Vertreibung von Kammerspiele-Intendant Lilienthal aus München gewidmet war, wurde von einem emotionalen Text von Elfriede Jelinek zum Thema eröffnet. Er handelt von Kunst, Kultur, Vertreibung, Immobilien, Wohnungsnot. Auszüge daraus werde ich im Frühjahr vortragen. Denn Vertreibung findet ja auch hier und überall statt. Oder glaubt jemand in der Kulturstadt Karlsruhe, dass eine so überzeugte Karlsruherin wie die langjährige ZKM-Geschäftsführerin Christiane Riedel, die den Ruf des ZKM in aller Welt verbreitete, einfach so nach Frankfurt zu einer Stiftung wechselt?
Nachdem die Vertreibung von Peter Weibel am Widerstand der Karlsruher Kultur- und Bürgergesellschaft scheiterte, war nun seine Cheforganisatorin und „Leibgarde“ dran. Eine der besten Kunstmanagerinnen der Welt und mit Sicherheit die beste PR-Botschafterin Karlsruhes – einfach so aus der Stadt getrieben. Wer das wohl betrieb? So war die Demonstration der Karlsruher Kulturinstitutionen mit Weibel an der Spitze gegen die Vorgänge am Badischen Staatstheater auch eine Demo gegen dessen Aufsicht, gegen Mentrup. Und Bauer. Nach dem ehemaligen Generalmusikdirektor Justin Brown im Sommer hat sich im Oktober auch die Balletchefin des Staatstheaters Bridget Breiner – der sicherlich ein freieres Arbeiten möglich ist als anderen, läuft die Tanzsparte in Tradition von Birgit Keil doch weitgehend autark – deutlich positioniert.
Weiße geht
Der Karlsruher Ordnungsamtschef Björn Weiße gibt wohl sein Amt auf und geht in die Privatwirtschaft. Er leitete unmittelbar nach den „Charlie Hebdo“-Anschlägen in Paris ungezählte Monate lang die AfD-Nazi-Demos vom Stephanplatz an unseren INKA-Büroräumen vorbei.
Forum Recht
Die Grünen haben erklärt bekommen, warum das gar nicht geht, das Forum Recht woanders zu bauen. Nun, für jeden großen gepflanzten Baum soll es wie viel Ersatz geben? Das 100-Fache pro Baum? Da fragt man sich, was das Recht eigentlich in Karlsruhe so treibt. Ich habe während der 17 Jahre INKA bis auf die CDU-Rüssel-Affäre kein einziges Mal erlebt, dass die hiesige Justiz Anklage wegen Korruption, Vorteilsannahme o.Ä. erhoben hat. Oder hab ich was verpasst? Ach so, doch: Derjenige, der die Missstände im Staatstheater öffentlich machte, wurde durchsucht. Ein total fatales Bild, das die Justiz in der „Stadt des Rechts“ abgibt.
Majolika
Peinlich: Nun ist die von aller künstlerischen Substanz befreite Majolika nicht mal mehr in der Lage, die Lüpertz-U-Strab-Kacheln zu brennen. Absurderweise ist davon nun Anton Goll, der ja als ehemaliger Majolika-Chef dafür durchaus eine Mitverantwortung trägt, davon betroffen. Der auf 150.000 Euro Zuschuss heruntergekürzten Karlsruher Traditionsmarke sollte samt ihrem auch kulturell wertvollen Immobestand endlich eine Zukunft gegeben werden. So droht der totale Ausverkauf. Und demnächst ist man dann auch nicht mehr in der Lage, Kunst-am-Bau-Projekte zu produzieren...
Cantus Juvenum
Aber es geht noch peinlicher: Weder die Kirche, das Land, die Stadt oder alle gemeinsam bringen allen Ernstes keine 35.000 Euro auf, um einen der bekanntesten deutschen Nachwuchschöre, Cantus Juvenum Karlsruhe, vor dem finalen Corona-Aus zu retten? Was verdient man denn am Sophien-Carrée? Man sollte ein wenig umschichten. Richtung Weihnachten. -rw
Wegen VG Bild-Kunst: INKA-E-Paper nur noch auf Anfrage einsehbar
Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst gestattet die Abbildungsveröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über aktuelle Ausstellungen nur bis zu sechs Wochen nach Ablauf. Daher sind aus Urheberrechtsgründen mit Ausnahme der aktuellen Ausgaben alle vergangenen E-Paper von INKA Stadtmagazin, INKA Regio und Super INKA passwortgeschützt und nur auf Anfrage einsehbar. Vereinfacht gesagt: Nur Großkonzerne können sich dies leisten. Könnten. Wir arbeiten daran, einen Ausweg aus dieser für zeitgenössische KünstlerInnen wie Kunstinteressierte, aber auch für viele Ausstellungsmacher unfassbar schlechte und schädliche Regelung zu finden. Sie schadet der Kunst in erheblichstem Ausmaß – und nutzt nicht einmal der Verwaltung. Wie kann man nur so blöd sein als Gesetzgeber, so etwas durchzuwinken? Wer also in den alten Ausgaben etwas nachlesen möchte, wendet sich bitte an redaktion@inka-magazin.de. Für die aktuellen neuen November-Ausgaben arbeiten wir ggfls. mit geschwärzten Fotos im Kunstteil; alle fortlaufenden E-Paper sind dann wieder ein Jahr lang frei zugänglich. -rw
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