Neues Label aus Karlsruhe: Soul Estate
Clubkultur // Artikel vom 17.12.2014
Der Teppich ist ausgerollt!
Wahrscheinlich hatte Jan Baptist von Helmont doch recht. Der Entdecker der Magensäure verortete die Seele vor vier Jahrhunderten im Magen, im Gegensatz zu den meisten anderen Theorien, nach denen sie im Herzen oder dem Gehirn sitzen sollte.
„Soul mag zwar ein ausgelutschtes Wort sein, aber es spiegelt das wieder, was wir in der Musik haben wollen. Herz und Seele, Charakter“, konstatiert Vadim Nickel (alias Suaave), während sein Labelpartner Roman Mühlschlegel (alias Roman Mühlschlegel) eine Packung Nudeln ins blubbernde Wasser kippt. Es dauert noch eine ganze Weile, bis die Bärlauch-Tomaten-Sauce dazu fertig gekocht, abgeschmeckt und genügend Käse gerieben ist – so wie sich auch die erste Platte auf Soul Estate, dem neuen Label der beiden Karlsruher Produzenten und DJs, ihre Zeit von der ersten Idee bis zum Release diesen November genommen hat.
Aber das passt nur ins Bild: „Du musst eine Platte erst aus der Tasche holen und auf den Teller legen, um sie zu spielen. Das ist nicht wie ein Doppelklick, nicht so überladen“, begründet Vadim die Vorliebe der beiden für Vinyl – auch wenn ein Digitalrelease in ein paar Monaten nicht ausgeschlossen sei –, und für das Sich-Zeit-nehmen. Auch fürs Kochen und Essen – Seele geht eben durch den Magen – wie hier am Küchentisch in Romans WG, in der sich auch fehlbedruckte Promo-Exemplare der Soul Estate 001 zwischen alten Funk- und Disco-Platten einsortieren.
Vergangene Zeiten, beim Hobby-Pilzkundler Roman Mühlschlegel ein eindeutiger Bezugspunkt: „Ich habe ein Jahr lang fast jede Woche beim „Funky Wednesday“ in Pforzheim aufgelegt. Man setzt sich dann schon mit den alten Sachen auseinander, fängt an, in den alten Sachen zu diggen und sampelt dann selber Sachen raus.“ Wie zum Beispiel die Vocal-Fetzen auf „Belladonna“, dem kickenderen der zwei Tracks auf Romans Seite der Platte. Die Flipside der EP gehört zwei Stücken von Suaave, die bei allem Housegroove noch mehr auf die Synthies zielen, gern auch mal daneben, und Unterschiede zwischen den Labelbuddies andeuten: „Ich komm nicht vom House oder Funk“, markiert Vadim, „meine früheste Erinnerung an Musik ist Sonic 2 auf der Sega. Im Radio lief Depeche Mode und als ich anfing, mich wirklich für Musik zu interessieren, waren das zum Glück von Anfang an auch ziemlich verrückte Sachen – Amon Tobin, Ninja Tune... Gerade bewege ich mich auch etwas weg vom konventionellen House.“
Aufeinander zu bewegten sich das neue und ein etabliertes Karlsruher Label – Peter Clamat von Big Bait Records stellte bereitweillig seine Siebdruckmaschine für die Covergestaltung zur Verfügung. „Ich hatte oft das Gefühl, jeder arbeitet hier für sich selber, aber vielleicht formt sich gerade doch etwas Übergehobenes, was die Stadt auch in der Musik- und Clublandschaft besser positioniert. Da wird Karlsruhe im Südwesten mitunter doch an den Rand gedrängt“, überlegt Roman und nennt die Fettschmelze als spannende neue Location, wobei Vadim einlenkt: „Die ist aber auch nur ein Ort. Sonst ist hier zu wenig, mich stört das.“
Mehr Freiräume und weniger bürokratische Hürden wären wünschenswert seitens der Stadt, darüber ist sich auch das Duo aus dem Soul Estate einig. Genauso wie über die Gestaltung seines Anwesens (womit sich „Estate“ übersetzen lässt): „Ich stelle mir das so vor: Man kommt in ein Gebäude rein und es gibt verschiedene Räume. Einer kann die Seite von Roman sein und ein anderer die von mir. Und dann gehst du in den Keller und da läuft Techno“, baut sich Vadim das Label im Kopf zusammen. Die Einrichtung dürfte sich immer wieder erneuern. „Wir legen uns nicht darauf fest, nur souligen House zu machen“, meint Roman mit dem Salzstreuer über dem Topf. Und Vadim stimmt zu: „Es muss einfach passen. Der Teppich wurde erstmal ausgerollt. Jetzt kannst du reingehen.“ „Soul Estate 001“ ist in allen gängigen Online-Plattenläden (Decks, Clone, Juno, Deejay) sowie online erhältlich.
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