Werkschau: Stefan Strumbel im INKA-Interview
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 29.11.2015
„What The Fuck Is Heimat?“, sprayte der Künstler Stefan Strumbel vor Jahren an eine Wand und traf damit den Nerv der Zeit.
Vom Kunstmarkt wurde er als „deutscher Warhol“ begeistert empfangen und ist mittlerweile seit zehn Jahren erfolgreich unterwegs. „Heimat loves you“ beweist Strumbel auch bei der kürzlichen Eröffnung seiner Jubiläumsausstellung in der Städtischen Galerie Offenburg (bis 16.1.2016), nachdem über 500 Gäste zur Vernissage in den Schwarzwald gereist sind. Hier präsentiert Strumbel eine Vielzahl an neuen Werken.
Langlebige Bronze und kaltes, spiegelndes Aluminium sind die neuen Materialien, mit welchen Strumbel seine Heimat-Objekte und Alltagsgegenstände umkodiert und neue Facetten seines Identitätsdiskurses anstößt. Knallbunt ist hier nichts mehr – keine Brands, keine Bambis, keine Bollenhüte. Dezenter und subtiler Pop, geht sowas?! Für INKA sprach Julia Huber mit Stefan Strumbel über künstlerisch nachdenkliche Zurückhaltung, Politisches, Performanz, Irritation und Ideale.
INKA: Lieber Stefan, seit unserem letzten Interview 2012 (INKA #79) ist bei dir einiges passiert. Du hast nicht nur eine Kirche vor der Schließung gerettet, in dem du das Kirchenschiff neu gestaltet hast, du hast ein Bühnenbild für die Staatsoper in Stuttgart realisiert, warst sehr erfolgreich auf nationalen und internationalen Messen u.a. in Köln, Basel und Paris vertreten und produzierst weiter kräftig Einzelausstellungen. Wie geht es dir, wie fühlst du dich?
Stefan Strumbel: Mir geht es sehr gut, vielen Dank der Nachfrage. Kunst zu produzieren ist für mich nicht mit Anstrengung verbunden, die sogenannten Quälereien des Schaffensaktes sind mir fremd.
INKA: Puccinis La Bohème war im Mai letzten Jahres deine erste Opernproduktion, für die du das Bühnenbild konzipiert und umgesetzt hast. Als kultureller Raum ist das Theater ja immer ein besonderer, vor allem aber auch hinsichtlich der Produktionsprozesse in Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Abteilungen. Hat sich deine Arbeit dabei verändert? War es für dich eine erste Erfahrung in Richtung Gesamtkunstwerk?
Strumbel: Nein, mit der Kirche Maria, Hilfe der Christen in Goldscheuer durfte ich schon die ersten Erfahrungen machen, was es heißt, die Gleichrangigkeit aller Künste auf einen Raum zu begrenzen. Interessant dabei war, dass sowohl die Kirche als auch die Oper eine passive Betrachter-Gesellschaft beherbergt und historische Stoffe ins Zeitgenössische übersetzt. Während das „Gesamtkunstwerk“ Kirche unter der Herrschaft der Predigt steht, dominiert in der Oper die Performanz der SchauspielerInnen.
INKA: Im Oktober hast du im Zusammenhang mit einer Ausstellung im Kunstverein Göppingen zur öffentlichen Blutspende aufgerufen. Eine Performance, die einer aktiven Bürgerbeteiligung bedarf. Kann man von einer „sozialen Plastik“ sprechen? Sozusagen erst Warhol, jetzt Beuys?
Strumbel: Warhol und Beuys sind die beiden Seiten derselben Medaille. Beuys benutzte den Begriff der „Sozialen Plastik“ im ausdrücklichen Gegensatz zu einem formalästhetisch begründeten Verständnis von Kunst und meinte damit, dass bestimmte menschliche Handlungen zum Wohl der Gemeinschaft beitragen können. Es ehrt mich natürlich sehr, mit dem Begriff der „Sozialen Plastik“ kontextualisiert zu werden. Aber die Idee für die Blutspende geht auf meine Beschäftigung mit der Lektüre „Das Blut der anderen“ von Simone de Beauvoir zurück und der Einsicht des Bildhauers Marcels, „der Künstler verschwindet im Werk, das Werk im Betrachter“.
INKA: Auch deine neue Ausstellung in der Städtischen Galerie Offenburg zeigt eine Neuausrichtung deines Schaffens. Was fasziniert dich am Material Bronze? Ist die Verfremdung des Symbolträchtigen, Traditionellen immer noch Thema? Werden deine Werke „stiller“, weil weniger Neon, weniger grell?
Strumbel: Wenn man sich anschaut, was gerade in Europa passiert, wie sich unsere Willkommenskultur in eine hässliche Fratze eines neuen Nationalismus wandelt, dann müssen die Arbeiten ernster und tiefer werden. Ich habe mit meiner Ausstellung in Offenburg versucht, dieser Verantwortung Rechnung zu tragen. Wenn man den ersten Ausstellungsraum betritt, stößt man unweigerlich auf die Skulptur „Forest Island“, ein Verweis auf meine früheren Arbeiten. Mitten im Ausstellungsraum liegt eine Schwimminsel aus Bronze, die leider nichts mehr mit meinen Kindheitserinnerungen gemein hat, sondern tagespolitische Aktualität ist. Sie wird zur Metapher für 45 Millionen Menschen auf der Flucht. „Forest Island ist die bronzegewordene Utopie einer Welt ohne Grenzen“, wie Florian Waldvogel (Kurator und ehem. Direktor des Hamburger Kunstvereins, Anm. d. R.) in einer Kritik über die Ausstellung geschrieben hat.
INKA: In Offenburg präsentierst du in Bronze und Aluminium eine Mülltonne, eine Europalette und eine Badepalme, vertraute Alltagsgegenstände also, auch außerhalb des Schwarzwalds. Wird dein Heimat-Vokabular nationaler? Deinen Humor hast du ja sichtlich behalten. Inwieweit ist das Extreme, Gewalttätige und Düstere noch Thema? Dürfen wir uns trotzdem noch auf ein paar Kuckucksuhren in Zukunft freuen?
Strumbel: Nationaler, um Gottes Willen, nein! Es gibt in meinen neuen Werken eine Verschiebung vom Partikularen (Heimat Schwarzwald) zum Universellen. Was bedeutet Heimat für Menschen, die auf der Flucht sind? Eine sie grell anschreiende Kuckucksuhr oder ein Bett auf das man sich nicht legen kann? Es ist die Aufgabe einer Ausstellung, Konfrontationen zu inszenieren, sodass die BesucherInnen überraschende Erkenntnisse gewinnen und vielleicht eine ihnen neue Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen einnehmen. So wird in der Kunst – als Hoffnung – aufbewahrt, was in der Realität gescheitert ist. Aber keine Angst, wenn sich die gesellschaftspolitische Situation wieder zum Optimismus verändert, dann wird es sicher wieder Kuckucksuhren geben, in welcher Form und Gestaltung auch immer. Aber solange verfolge ich meine innere „Guernica-Verfügung“.
INKA: Zum 300. Stadtgeburtstag wurde ein Bronze-Denkmal für den Stadtgründer im Schlosspark feierlich enthüllt, ein Sessel, der zum Platznehmen und Träumen einlädt. Hat Karlsruhe ein neues Wahrzeichen? War das ein Wendepunkt in deiner Karriere? Guckst du manchmal, wer deinen Stuhl „besetzt“ und die darauf gemachten Selfies auf Instagram unter dem Hashtag #KATraumplatz hochlädt?
Strumbel: Nein, dafür fehlt mir die Eitelkeit. Es freut mich natürlich sehr, dass die Skulptur so großartig angenommen und benutzt wird, dass die Skulptur den BesucherInnen des Schlossparks ein Moment der Freude und Erinnerung an ihren Ausflug schenkt.
INKA: Dein Werdegang vom Sprayer zum etablierten Künstler ist mittlerweile bekannt. Schließt sich mit Kunst im öffentlichen Raum der Kreis und du bist auch künftig „auf der Straße zurück“? Und was würdest du sagen, wenn auf einer deiner Skulpturen plötzlich ein Graffiti leuchten würde?
Strumbel: Ich bin ja nicht der Spießer, vor dem mich meine Eltern immer gewarnt haben. Es zierten schon die Arbeiten von weitaus bekannteren KünstlerInnen das ein oder andere Tag. Aber in der Regel, da spreche ich aus Erfahrung, werden eher hässliche Gebrauchsarchitekturen wie etwa Verwaltungsgebäude oder Züge, in dem die Bürger die Hälfte ihres Lebens verbringen müssen, die nicht hässlich, inhuman und entfremdend genug sein können, vom symbolischen Widerstand des Graffiti heimgesucht.
Stefan Strumbel: Werkschau, bis 31.1.2016, Städtische Galerie, Offenburg; Künstlergespräch: Di, 1.12., 19 Uhr, Eintritt frei
www.galerie-offenburg.de
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