Frauen-Silber
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 24.03.2011
„Form ist Ausdruck meines Wesens.“
Emmy Roths Aussage ist programmatisch für die 15 frühen Industrie-Designerinnen, die – als „Kuriosum“ ihrer Zeit belächelt – vom Badischen Landesmuseum vorgestellt werden. Der Blick auf die in eine Männerdomäne einbrechenden Frauen zeigt einen engen Zusammenhang zur frühen Emanzipationsbewegung um 1900. Nicht vergessen werden darf dabei, dass Frauen erst 1919/20 an den Akademien in Deutschland zugelassen wurden, wobei das Bauhaus mit seiner Öffnung für beide Geschlechter als Vorreiter verstanden werden kann.
Generell wurde Frauen der Weg in die Künste schwer gemacht, weshalb viele auf das Kunsthandwerk auswichen. Insofern bietet die Ausstellung einen faszinierenden Blick auf Künstlerinnen, die neben Auftragsarbeiten für Tafelsilber häufig auch als Schmuckdesignerinnen tätig waren. Nachdem 2009 das Buch über „Bauhaus-Frauen“ erschienen ist, beleuchtet der Katalog zur Ausstellung „FrauenSilber“ deren Beitrag zur Tischkultur des gehobenen Bürgertums in den 20er Jahren.
Schwierig war es, die Exponate zusammenzutragen, weil die Arbeiten zumeist für private Auftraggeber als Unikate angefertigt wurden und in privaten Haushalten verschwanden. Umso bedeutender ist, dass es dem Landesmuseum gelang, fast alle von Paula Straus bekannten Entwürfe in der Ausstellung zu versammeln. Dabei versteht sich die Ausstellung selbst, wie der Untertitel „Paula Straus, Emmy Roth & Co.“ nahelegt, als Hommage gerade an diese beiden Künstlerinnen, die als Jüdinnen von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Als Ironie des Schicksals darf dabei die Tatsache bezeichnet werden, dass gerade von Paula Straus die meisten Exponate lokalisiert werden konnten: Bevor sie nach Theresienstadt und Auschwitz deportiert und 1943 ermordet wurde, verteilte sie die in ihrem Besitz befindlichen Stücke auf Freunde.
Bemerkenswert an vielen der Exponate ist auch ihre Multifunktionalität. Der Ausstellungskurator Dr. Sänger: „Frauen haben pragmatisch-praktisch gedacht, während Männer Arbeiten mit Denkmalscharakter schufen.“ Das allerdings ist in „FrauenSilber“ leider nicht nachvollziehbar – und das ist der einzige Wermutstropfen dieser Ausstellung, die sonst detailreich und mit viel Kenntnis eine untergegangene Epoche über Alltagsgegenstände, Hintergrundinformationen und Filmmaterial reflektiert. Denn der Titel ist Programm: es werden nur Frauen mit ihrem je eigenen Formen- und Ausdruckswillen präsentiert.
Ob Löffel oder Teekanne, Teller oder Tasse, Armreif oder Halskette - am „Silbersonntag“, 3.4. wird von 10
bis 14 Uhr jedes Liebhaber- und Sammlerstück auf die (Gold-)Waage
gelegt. Im Rahmen der Sonderausstellung haben Besucher die Gelegenheit, ihren
Besitz von Kurator Dr. Reinhard W. Sänger begutachten zu lassen. Ihm
zur Seite steht Detlef Sippel, langjähriger Metallrestaurator des
Badischen Landesmuseums, der die materielle Seite der Stücke betrachtet
und Ratschläge für ihre Pflege, Erhaltung und Aufbewahrung gibt.
Um 11.30 Uhr startet die Begutachtung der Silberobjekte, die bis 13.30 Uhr angenommen werden. Die Teilnahme kostet so viel wie der
Eintritt in die Ausstellung: zwei Euro. Um 10.30 Uhr bietet das Museum außerdem eine Kurzführung mit dem Kurator, um 11 Uhr mit dem Restaurator. -ChG/-pat
bis 19.6., Museum beim Markt, Karlsruhe
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