Eine kleine Winterkunstreise von Mannheim bis Basel
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.12.2011
Die Museen entlang des Rheins stellen so Vielfältiges aus, dass sie wahrlich eine Reise wert sind.
Am besten eine in kleinen Etappen, damit die Eindrücke nicht nur aufgenommen, sondern auch sortiert und genossen werden können. Ob man sich dabei von Nord nach Süd orientiert oder andersherum mit der Fließrichtung des Rheins mitgeht, ist einerlei – die Museen warten geduldig auf Besucher.
INKA-Kunstredakteurin Dr. Chris Gerbing beginnt ihre Kunstreise im Delta Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg, streift auf dem Weg nach Karlsruhe noch Schwetzingen und Bruchsal und reist dann südwärts über Baden-Baden und Durbach bis nach Basel.
Erste Etappe: Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg
Man kennt ihn zumeist nicht, denn er bleibt im Verborgenen. Seine Passion, ein durch und durch bürgerliches Phänomen, hat aber die deutsche Kunstlandschaft entscheidend mitgeprägt. Wir reden vom privaten Sammler. Dieser rückt mit der Ausstellung „Private Passions“ in Mannheim in den Fokus, die deutlich macht, dass auch heute noch auf sehr hohem Niveau gesammelt wird und dass die Sammlungsschwerpunkte so vielfältig sind wie die Kunst an sich.
Spannend ist schon allein die Präsentation: Auf wandfüllenden Fototapeten tritt das Sammler-Zuhause mit all seiner Verschiedenheit dem Betrachter entgegen – und erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass tatsächlich die Originale an der Museumswand hängen (bis 26.2., Kunsthalle Mannheim). Einsichten der anderen Art zeigt dagegen die Kunst/Halle Heidelberg. Mit Insights II verspricht sie mit Werken u.a. von Stefan Strumbel Einblicke in das Seelenleben der Deutschen (bis 10.1., 26.12.-2.1. geschlossen, Kunst/Halle Heidelberg).
Mit deren Konsumverhalten geht die Ausstellung „I Love Aldi“ in Ludwigshafen derweil hart ins Gericht. Große Installationen aus Wurst und Toastbrot thematisieren unseren Umgang mit Lebensmitteln, die wir billig, billig beim Discounter erwerben. Wie dessen Strategien aussehen, wird unter anderem ebenfalls künstlerisch hinterfragt (bis 4.3., Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen).
Wenn wir uns so sehr von Logos, Marken und dem verführerischen Ruf der Discounter leiten lassen – was ist dann überhaupt noch real? Das hinterfragt auch Tobias Donat mit seinen beiden Flaggen vor dem Kurpfälzischen Museum in Heidelberg, die uns aber nicht schlauer machen: „Fake/Real“ und „True/False“ ist auf ihnen zu lesen. Sie gehören zu der Ausstellung „Übermorgenkünstler II“, mit denen der Heidelberger Kunstverein Studierende der Städelschule, der Karlsruher und Stuttgarter Kunstakademie und der Kunsthochschule Mainz vorstellt (bis 19.2., Kunstverein Heidelberg). Der Frage nach der Realität unserer Gegenwart geht übrigens auch Nasan Tur nach, dem es ein besonderes Anliegen ist, sich mit seiner Kunst – zum Teil auch in waghalsigen Selbstexperimenten – unters Volk zu mischen (bis 19.2., Kunsthalle Mannheim).
Zweite Etappe: Über Schwetzingen und Bruchsal nach Karlsruhe
Es gibt den Weltreligionstag, den Welt-Lepra-Tag, den Welt-Knuddeltag, den Internationalen Tag der Muttersprache, den Weltnierentag und noch rund 100 weitere solcher weltweiter Aktionstage, ins Leben gerufen von den verschiedensten Institutionen. Hierzu zählt auch der Welttoilettentag der World Toilet Organization WTO. Ziel dieses Tages ist es, auf die Notlage von mehr als 2,7 Millionen Menschen aufmerksam zu machen, die keinen bzw. keinen hygienischen Zugang zum „stillen Örtchen“ haben, und deren Situation bis 2015 zu verbessern.
Dass gerade im Schloss Schwetzingen eine Ausstellung dazu zu sehen ist, entbehrt nicht gewisser Ironie. Denn im Barock gab es zwar Platz in verschwenderischer Hülle und Fülle, aber Toiletten vermisst man in den Schlössern – der verzweifelte Höfling schlug sich zur Verrichtung seines Geschäfts nicht selten in die Büsche, so dass es nicht nur nach Parfüm und Schweiß, sondern auch nach Fäkalien stank. So realistisch wird die Ausstellung im Schloss aber hoffentlich nicht sein, die noch bis zum 19.2. insbesondere das 17. bis 19. Jahrhundert im Blick hat!
Zwiegespräch führen zwei zeitgenössische Künstlerinnen, Edda Spinola und Christa Weymann, die mit ihren Arbeiten in den Dialog treten mit der barocken Residenz der Speyrer Fürstbischöfe, dem Bruchsaler Schloss. Ein opulenter Rahmen für abstrakte Gemälde, die noch bis 8.1. Farbe in das winterliche Grau bringen und gleichzeitig auf die Farbenpracht des Barock zu reagieren scheinen.
Kaum sind Weihnachten und Silvester vorbei, naht auch das erste Kunst-Highlight des neuen Jahres: der traditionelle Karlsruher Galerienrundgang am Fr, 20.1. ab 19 Uhr. Im Gegensatz zu den letzten Malen finden an diesem Abend nur wenige Vernissagen statt, denn die Verantwortlichen haben festgestellt, dass der Charakter der Veranstaltung im Gegensatz steht zu jenem einer Vernissage: Wo ich sonst den ganzen Abend vor Ort bin, schaue ich beim Rundgang nur vorbei, um dann auch gleich weiterzuziehen zur nächsten Galerie, von Malerei zu Plastik zu Installation.
Trotzdem: An diesem Abend eröffnet Karlheinz Meyer mit Malereien von Wawrzyniec Tokarski und Bode mit Felix Wachters „Winterbildern“ – zur Jahreszeit passenden Fotografien. Ansonsten sind Römer+Römer bei Supper zu sehen, Kadel Willborn zeigt Helmut Dorners „Flussstück mit Blumen“, Voegtle Installationen von Renato Oggier, Rottloff mit Joachim Czichon einen „alten Bekannten“ der Karlsruher Kunstszene, und bei Schuermer sind die Skulpturen und Zeichnungen von Klaus Hack zu sehen. Plastiken und Zeichnungen von Franz Bernhard und Sibylle Schlageter treten bei Knecht und Burster in einen Dialog, ebenso die Arbeiten von Friederike Zeit und Günter Wagner in der Majolika, und die Orgelfabrik präsentiert derweil fünf ganz junge Künstler.
Dritte Etappe: Zwischen Karlsruhe und dem Elsass – Tomi Ungerer
Er ist der Meister der bissig-ironischen Karikatur, vielen von uns bekannt als Autor skurriler Kinderbücher, er blickt mit seinen Zeichnungen satirisch auf ein breites Spektrum gesellschaftlicher Themen: Tomi Ungerer. Der im Elsass geborene Künstler, der inzwischen in Irland lebt, wird im Karlsruher Centre Culturel Franco-Allemand mit einer besonderen, weil sehr persönlichen Ausstellung geehrt, die aufgrund der langjährigen Freundschaft von Direktor Robert Walter mit Ungerer zustande gekommen ist.
Im Zeitraum der Ausstellung, die bis zum 6.1. andauert, wird der Rechtshistoriker Jean-Laurent Vonau am 19.12. ab 18.30 Uhr über den „Henker des Elsass“ referieren und damit den Blick auf die NS-Geschichte lenken. Mitte Januar wird dann Ungerer von Marie-Paule Lesage abgelöst mit der recht skurril klingenden Ausstellung „Elephantesque“, die ihre Arbeitsaufenthalte in Laos dokumentiert. Im Museum Tomi Ungerer in Straßburg lässt sich derweil in der Ausstellung „Tomi Ungerer und seine Meister“ (bis 29.2.) nachvollziehen, welche Künstler den Karikaturisten beeinflusst haben, auf welche Arbeiten er reagiert hat.
Vierte Etappe: Von Baden-Baden über Durbach und Offenburg bis Basel – Spuren
Kreative Menschen hinterlassen viele Spuren: in Bildern, Zeichnungen, Büchern und in der Musik, um nur einige mögliche Beispiele zu benennen. Künstler sind häufig genug also Spurensammler, ihre Arbeiten ein Ausdruck dieser Spuren, die wir alle hinterlassen. Jene von Anselm Kiefer sind großformatig, manchmal recht rätselhaft und so haptisch, dass man als Betrachter immer wieder die Versuchung verspürt, hineinzugreifen in diese erdenschweren Bilder aus der Sammlung Grothe, die noch bis 15.1. zu Gast bei Frieder Burda in Baden-Baden sind.
Ab 4.2. folgt dann eine Retrospektive mit Werken des US-amerikanischen abstrakten Expressionisten William N. Copley. Ebenfalls Spuren hinterlässt der Stadtkünstler Baden-Badens 2011, Otto Jägersberg: Als Filmemacher, Literat, aber auch als Zeichner sucht er nach dem Dubiosen, dem Flüchtigen in unserer Gesellschaft und bannt dieses in seine bissig-ironischen Zeichnungen und Plakate (bis 15.1., GfjK Baden-Baden). Auf den Spuren des Informel kann man noch bis 22.1. in der Sammlung Hurrle in Durbach bei Offenburg wandeln.
Danach wird Dieter Krieg mit einer Ausstellung zum 75. Geburtstag geehrt, und in der Reihe „Profile in der Kunst am Oberrhein“ ist ab 11. Februar Karl Manfred Rennertz zu sehen. Nur zwei, dafür aber extra-eindrucksvolle großformatige Arbeiten plus Collagenstudien zur ihrer Entstehung sowie ein empfehlenswerter halbstündiger Film mit Interview der Künstlerin Corinne Wasmuht laden in die Städtische Galerie Offenburg.
Ab 4.2. folgt dort die Ausstellung „4NOW Adam Saks & Christopher Wool“. Im innerstädtischen Museum im Ritterhaus werden noch bis 8.1. geschnitzte Holzmodelle für Lebkuchen, Springerle und Spekulatius gezeigt. Einmal mehr gleich mehrere Hochkaräter parallel zeigt die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. Zu Ehren des 100. Geburtstags der unlängst verstorbenen Künstlerin Louise Bourgeois zeichnen rund 20 Kunstwerke einen Querschnitt durch ihr Lebenswerk. Dabei handelt es sich um die letzte Ausstellung, die die „Grande Dame“ der zeitgenössischen Kunst noch mitkonzipierte (bis 8.1.). Parallel dazu stellt das Haus in einer opulenten Schau den Surrealismus vor. Wer also keine Zeit hat, Magritte in Wien zu besichtigen, kann sich noch bis 29.1. in Basel auf dessen Spuren bewegen. Von 29.1. bis 13.5. folgt dann eine Retrospektive des französischen Künstlers Piere Bonnart. -ChG
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