INKA Stadtmagazin #167

Inka Ausgaben // Artikel vom 31.10.2022

Das Cover unserer INKA-Stadtausgabe zeigt Die Kopflosen, ein Walkact der tiefgründigen Art, den die KME fürs jüngste „Stadtfest“ buchte, wo er buchstäblich für große Augen sorgte.

Steht er doch aktuell auch sinnbildlich für die kopflose Großwetterlage, in der man über Gas, Heizen und Duschen debattiert, zum Drohnen- und Flugabwehrexperten und Kriegsauguren wird, man lieber wieder ins Büro wechselt, da ist nämlich geheizt, und nicht weiß, wie man das alles zahlen soll – Energie, Lebensmittel...

Derweil wird mal eben die Laufzeit des bereits jetzt völlig veralteten Kohlekraftwerks im Rheinhafen um lockere 14 Jahre verlängert, ohne dass dies die breite Öffentlichkeit überhaupt mitbekommt. Ob der kopflose Entscheid des Regierungspräsidiums Bestand hat? Fraglich. Zwei Kohlekraftwerke sind bei der vorherrschenden Südwestwindrichtung einfach mindestens eines zu viel. Und Strom ist nicht knapp, sondern künstlich verteuert, weil immer noch an den Gaspreis gekoppelt. Florian Kaufmann bringt den aktuellen Sachstand.

Kopflos ist anscheinend auch der Ausverkauf der Stadt bei gleichzeitiger Haushaltsnotlage: Mit der Majolika und dem (zu erwartenden) Verkauf dann auch des gesamten Geländes an die Gröner Group, die bereits wichtige Teile der kommenden Stadtentwicklung (Nordstadt, Kußmaulstraße) erwarb, gibt die Stadt ohne definierten Langzeitnutzen eines ihrer Filetstücke und eine echte kulturelle Marke wie die Majolika-Manufaktur ausgerechnet einem Investor, der durch die Übernahme von Gewerbeimmobilien in verschiedenen Stadtteilen Hunderte Proberäume in der gesamten Stadt plattmachte. Der Gemeinderat sollte Investoren, die wichtige städtische Grundstücke oder Immobilien erwerben, grundsätzlich wie andere Städte auch dazu verpflichten, dass diese einen Anteil der Gewinne an die Allgemeinheit zurückzugeben. Angesichts der Haushaltsnotlagen der Stadt, die ja zu weiten Teilen aus Immoplanungsfehlern und deren Folgen resultieren, eigentlich ein logischer Schritt. Die Linke fordert wegen der Politiknähe von Gröners Karlsruhe-Repräsentant Müller (SPD, auch KSC-Vizepräsident, kandidierte für den Gemeinderat), der Gruppe überhaupt keine Grundstücke mehr zu veräußern. Und die Majolika ohnehin nur in Erbpacht zu vergeben.

Auch als Kulturakteur kann man schon leicht kopflos werden. Die Kultur- und Veranstaltungsszene, die nun im dritten Corona-Jahr ist, bangt um die Grundfesten ihrer Existenz. Auf die Frage, wo gespart wird, kommt nach Gastro und Klamotten gleich die Kultur. Corona – was ja auch keiner mehr hören kann – tut ein Übriges. Der Krieg gibt der Ausgehstimmung den Rest. „Alles ist am Arsch“, hört man selbst aus der Hauptstadt, dem Epizentrum der Freien Szene. Das Geld ist knapp, Biolebensmittel und Konzerttickets haben keine Prio. In der Popmusik fällt nach dem Aus für die CD-Verkäufe nun auch das Livegeschäft anscheinend in sich zusammen; selbst etablierte Bühnen beten für eine gute Abendkasse. Es droht ein nie dagewesener Verlust an Kultur, an Kreativität und auch an Millionen von Arbeitsplätzen. Schlecht bezahlten zumeist, aber immerhin teils eigenen Lebensentwürfen folgend. Wer will heute allen Ernstes noch Musiker werden? Das Geschehen trifft auf eine Branche, die ohnehin sehr niedrige Gehälter zahlt. Bei dm verdient man mehr als Anfänger im Ballett. Auch der Buchbranche gehen die Papierpreiserhöhungen an die Substanz.

Wir haben mit der Berliner Choreografin Sasha Waltz gesprochen, die mit ihrer Compagnie beim Festival „Tanz Karlsruhe“ endlich mal wieder in ihrer Heimatstadt gastiert und zum Thema „Long-Covid in der Kultur“ natürlich auch viele lokale Akteure der Kulturszene befragt. Übrigens: Jede Menge Möglichkeiten, sich kulturell mal wieder die Füße zu vertreten, finden sich in Hülle und Fülle auch in dieser Ausgabe. Support your Locals!

Roger Waltz, Patrick Wurster & das INKA-Team

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