INKA StadtBlatt #1
Inka Ausgaben // Artikel vom 31.05.2021
„Die letzte Lockerung“ heißt ein Band von Walter Serner aus den 20er Jahren mit „Tipps & Tricks“ zum Leben, Hotels, Reisen, Frauen, Geld, der im Zuge meiner New-Wave-Dada-Punk-Sozialisierung ab Ende der 70er in München eine neue Popularität verdient hätte.
So nannte ich auch meine Clubnacht im Carambolage, als ich nach Karlsruhe zurückgekehrt war. Bei der „Allerletzten Lockerung“ legten sogar heute berühmte Musiker auf. Hoffen wir also alle, dass es wieder lockerer wird. Und der Kulturlockdown endlich ein Ende hat. Mit dem neuen INKA StadtBlatt, das stets von KünstlerInnen cogestaltet werden wird – die ersten drei Ausgaben von Susanne Saenger, von der auch die Coverillustration stammt – und Susy Schafheutle, schließt sich auch ein Kreis: „Das Blatt“ war einst die Stadtzeitung in München, wo für mich alles begann. Wir gehen mit dem StadtBlatt, das das bisherige INKA Stadtmagazin ersetzt, neue inzidenzunabhängige Wege, viele Haushalte in Karlsruhe bekommen es direkt in die Briefkästen via Deutsche Post. Natürlich ist der Inhalt noch nicht „regulär“, kurz vor Druck bekamen wir die ersten Daten des „Toujours Kultur“-Festivals, die Bühnenkultur nimmt erst wieder Fahrt auf, für die Gastronomie bleibt es trotz prinzipieller Öffnung schwierig. Themen gibt es aber im Überfluss, denn auch zwei Wahlen nach unserer letzten Printausgabe geht es irgendwie weiter wie immer. Scheint nur so, natürlich. Oder setzt sich dank des Gemeinderates doch eine mehr am Wohl der Einwohner orientierte Politik über die Parteigrenzen hinweg durch? Schön wär’s!
Mit Ausnahme unserer Jahrespublikation „Einzelhelden“, die mit zahlreichen Porträts und Interviews versehen mit drei Monaten Verspätung erschienen ist und bisher erst teilweise verteilt werden konnte, sind die Juni-Ausgaben unsere ersten Publikationen seit fast einem Dreivierteljahr Kulturlockdown mit faktischem Berufsverbot. Daher bringen wir auch Themen wie den Bio-Hof Rüppurr oder die Südstadt-Erhaltungsatzung nochmals auf Stand, ebenso die Ausstellungsvergütung für KünstlerInnen: Friedemann Dupelius sprach mit Lisa Bergmann. Und natürlich rekapitulieren wir auch das Geschehen in Sachen Wegfall von Dutzenden Proberäumen in der gesamten Stadt durch die Aktivitäten der GEM. Die Recherchen von Florian Kaufmann dazu erreichten eine überregionale Web-Resonanz. Schnell und einvernehmlich war dann die Reaktion des Gemeinderats: Er stimmte für ein unkommerzielles Kulturzentrum in Bulach, das einen kleinen Teil der entfallenden Räume und Ateliers aufnehmen kann. Auch das Rotag-Gelände in Grünwinkel ist weiter im Spiel, hier wird aber mit mehrjähriger Sanierung gerechnet. Ein wesentlicher Fürsprecher im Hintergrund: Ingo Wellenreuther, der schon im Sommer bei der Anti-Spuhler-Demo dabei war und offenbar einen großstädtischeren Kurs der CDU einleiten möchte. Verkehrte Welten? Die AfD landete mit ihrem (sinnvollen) Antrag auf künftig öffentliche Kulturausschuss-Sitzungen ebenfalls einen Überraschungscoup: Er ging mit großer Mehrheit durch.
Unter dem Slogan „Kulturelle Infrastruktur erhalten: Corona-Kulturhilfe der Stadt?“ schrieben wir im März die Fraktionen im Gemeinderat und den Kulturausschuss der Stadt an – auf Initiative des Kulturbüros –, um auf unsere prekäre Situation öffentlich aufmerksam zu machen. Grund: Bis Juni 2021 waren nach unseren Berechnungen die Puffer aus einem KfW-Kredit auf zwei Monate gefallen, alle Rücklagen wurden bereits 2020 aufgelöst. Unser Dilemma: Wir waren wegen der Nichtanrechenbarkeit der Bildungsanzeigen aus der November- und Dezemberhilfe 2020 herausgefallen, aber gelten auch nicht als Kulturbetrieb trotz mehr als 85 Prozent Kultur-/Bildungsanteil in Texten wie Anzeigen. Ich bat daher, die Betrachtungs- und Bewertungsparameter der städtischen Kultur-Hilfen in diesem Sonderfall auch in Berücksichtigung der konstanten INKA-Kunst- und Kulturförderung in 17 Jahren speziell zu prüfen. Und ein Umdenken in Bezug auf die Förderkriterien des Corona-„Kulturtopfes“ der Stadt, der Stand Ende Mai noch gut gefüllt ist, aber auf echte Notlagen nicht zugeschnitten. Stattdessen bedienen sich hier Gerüchten zufolge gutverdienende Medienunternehmer. Ich gönne allen alles, aber solche Ungerechtigkeiten und verzerrten Wahrnehmungen sollten in der Kulturpolitik eigentlich außen vor bleiben. Das kann doch kein Mensch nachvollziehen.
Aus unserer Sicht zählt aber INKA wie etwa die Bandproberäume zur Infrastruktur nicht nur der Kultur, sondern auch des freien Diskurses in der Stadt, deren Meinungsbild printtechnisch dominiert wird von einer Monopolpresse: den BNN, die soeben auch einen Anteil am „Badischen Tagblatt“ in Baden-Baden gekauft haben – und einer „Stadtzeitung, die einer Publikation aus diesem Verlag nun wöchentlich statt wie früher zweiwöchentlich beiliegt, und sich in den vergangenen Jahren von einer objektiven Berichterstattung zu einem PR-Blatt der Stadtverwaltung und der Politik gemausert hat. Wir erbaten eine einmalige Corona-Soforthilfe von 50.000 Euro, um unsere feste Redakteursstelle zu sichern. Wir sind zwar weiter in Gesprächen und bedanken uns bei den PolitikerInnen, die sich für uns einsetzen. Große Hoffnungen auf Hilfe aus dem Gemeinderat habe ich aber leider nicht. Offenbar traut sich niemand, einen Antrag zu stellen. Dann würde man ja sehen, wer eine unabhängige und auch mal kritische Stimme lieber unterstützen oder lieber absaufen sehen will.
Aber aloha, dafür waren wir sonst nicht untätig: Sind umgezogen, in die Sophienstraße 114 b, nahezu geräuschlos gemanaged von Julia Heiß. Chapeau. Die neue INKA-Bleibe im „Blauen Pavillon“ hat der Karlsruher Stadtzeichner Tom Boller mit Markern für uns verewigt. Und wir bringen gleich zwei neue Publikationen heraus, denn unsere klassischen Pocketformate können wir nur noch in Special-Projekten wie dem „Einzelhelden INKA Cityguide“ realisieren: Das INKA StadtBlatt ersetzt das bisherige INKA Stadtmagazin. Das ebenfalls neue INKA Magazin im DIN-A4-Format ersetzt wiederum das bisherige INKA Regio und geht vor allem auch in die Region und den gesamten Südwesten bis an den Bodensee. Beide werden im Rollenoffset gedruckt, das StadtBlatt geht erstmals auch via Deutsche Post direkt in fast 10.000 Karlsruher Haushalte in diversen Stadtteilen. „Werbeverweigerer“ werden von der Post nicht bedient. Innerhalb unserer neuen Steady-Supporter-Kampagne (www.dein-inka.de) kann man unsere Publikationen abo-artig mit regelmäßigen Kleinbeiträgen unterstützen. Parallel bieten wir ab 5.000 Euro verzinste stille Teilhaberschaften an, um unser Eigenkapital wieder aufzustocken und statt blankem Überlebenskampf unsere Aktivitäten langsam wieder hochzufahren.
Ich ziehe mich damit etwas in den Hintergrund zurück und kümmere mich mehr um die Konzeption und Koordinierung und das Überleben des durch Corona schwer ramponierten Verlages. Der Staffelstab geht im Sommer unspektakulär über an Patrick Wurster, unseren langjährigen Text- und Onlinechef, der demnächst sein 15-Jähriges bei uns feiert. Er wird zusammen mit Florian Kaufmann (Stadtgestaltung/Themen) die Redaktionsleitung übernehmen. Für Kunst, Theater und Klassik ist weiterhin Friedemann Dupelius federführend. Ich bedanke mich beim gesamten INKA-Team für das ewig lange Durchhalten in schwierigen Zeiten und den großen Einsatz beim Umzug und Restart. Ein spezieller Dank geht an Susy Schafheutle und Susanne Saenger, die sich gestalterisch auf ein komplett noch im Werden begriffenes Printabenteuer einließen – wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!
Einen guten Sommer wünscht
Roger Waltz
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