Candace Carter, Künstlerin & Schriftstellerin

Porträt

„Kunst kommt nicht von Können, wenn dann von Müssen. Es ist ein unmöglicher Beruf. Wir sollen die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit ahnen und dieses Etwas irgendwie einfangen. Du wirst es nie erreichen und immer wollen.“ An einer trubeligen Kreuzung direkt gegenüber der Kunstakademie thront ein Turm. Im Haus unter diesem anmutigen Dachboden lebt und arbeitet seit 40 Jahren die Künstlerin Candace Carter; bis zu seinem Tod 2019 gemeinsam mit ihrem Künstlerkollegen und Ehemann Tutilo Karcher. Seit über zehn Jahren ist es mir eine Ehre, dort ein- und auszugehen; aus einem Praktikum als angehende Kunststudentin ist eine tiefe Freundschaft gewachsen. So ist dieses Porträt auch eines einer Freundin und Mentorin, wie ich oft hinzufüge, als Ehrentitel für die 45 Jahre Lebenszeit, die sie mir voraushat. Als Malerin, Performancekünstlerin, Youtuberin und durch ihre intensive Kurstätigkeit ist Carter vielen in der Stadt bekannt.

Ihr Atelier ist, wie der Rest der Wohnung, ein lebendiges Museum. Als Tutilo sein Atelier noch nebenan hatte, wirkte der Kontrast fast gestellt: Bei ihr viel Raum und freie Tische; bei ihm ein Chaos, das Abstellflächen gar nicht erahnen lässt, jedoch so präzise gestaltet, dass es schwerfiel, wieder hinauszugehen. Die gebürtige US-Amerikanerin, im Mittleren Westen in eine Kunsthandwerksfamilie hineingeboren, ist 1970 nach Hamburg „ausgerissen“ und studierte Malerei. Den Spuren der Neuen Sachlichkeit folgend, zog sie 1979 bewusst nach Karlsruhe und blieb. Ihr Handwerkszeug ist alles „Learning by Doing“, die Profs an der Akademie hatten anderes zu tun. „Ich wollte lernen, etwas aufs Papier zu bringen.

Die Lust war Voraussetzung, aber die Disziplin brachte die Ergebnisse.“ Im Frühjahr wird mit „Art und Ehe“ eine Ausstellung zum Frühwerk von Carter & Karcher gezeigt. Im Künstlerhaus, wo sich die beiden im Kreis der „Karlsruher Realisten“ kennenlernten (Vernissage: So, 28.4., 11 Uhr, bis 19.5.). Dass Leben, Welt und Arbeiten eng miteinander verflochten sind, zeigt sich auch in zwei großen Einflüssen auf ihr Werk: Christentum und Marxismus. 17 Jahre Mitglied der DKP, der Sog der mystischen Tradition machte aus ihr eine Katholikin. „Von Anfang an war ich vernarrt in die Gottessuchenden, diese verrückte Gruppe von Menschen, die innerlich glückselig blieben, egal welche Schicksalsschläge die Welt ihnen austeilte.“ Das strahlt ihr Schaffen aus. Paradoxes vereinen, spielerisch radikal dem Leben verpflichtet, egal ob in Malerei oder im Wort. Denn seit Jahren ist das Zentrum ihres künstlerischen Schaffens nicht mehr die Bildende Kunst, sondern die des Schreibens. „Mit der Malerei war es bei mir ähnlich wie bei einem 5.000er. Wenn du ihn einmal erklommen hast, gehst du weiter, etwas Neues wird interessant. Der ‚Frauenaltar‘ war vielleicht mein 5.000er, danach musste ich mir nicht mehr so viel beweisen. Und bin weitergegangen, habe mich freier gemacht vom gegenständlichen Realismus, hin zu Performance, Installation, hinein in den Raum.“

Der „Frauenaltar“, 1992 als Triptychon fertiggestellt, ist eine Hommage an die Frauen und an eine Gewaltlosigkeit im Herzen – trotz Folter und Leid. 30 Jahre später hat ihr erstes Buch „Wir retten die Welt“ eine ähnliche Botschaft, „denn das Böse kann man nicht besiegen, nur zu Tode lieben“. In diesem utopischen Roman machen sich einige „Outcasts“ auf, die Welt von der Herrschaft der Weltbank zu befreien; mithilfe von Musik und Freundschaft. Am Do, 16.5., 19.30 Uhr, liest Carter in der Orgelfabrik, der zweite Teil ihrer Trilogie steht kurz vor der Veröffentlichung und nebenbei macht sie mit der Kunsthistorikerin Sandra Müller-Buntenbroich einen Podcast auf Spotify (@artmachina) und Youtube (@candacecarter6732). „Wenn mich jemand fragt, was zentral ist, würde ich sagen: Ich bin Storytellerin. Ich wollte immer Storys erzählen und von anderen hören. Du wählst das Medium, je nachdem, wie du deine Botschaft transportieren willst. Ich glaube, wenn ich jetzt jung wäre, würde ich Filme machen.“ -sb


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