Alex Besta, Bildende Künstlerin
Porträt
Zwei rechteckige Flächen aus Torf und Erde liegen wie Teppiche im Projektraum ßpace am Kronenplatz ausgebreitet. Assoziationen an Gräber vermischen sich mit imaginierten Eindrücken von Aufenthalten im Wald. Darauf verteilen sich schnörkelige Objekte, die gleichermaßen aus dem Erdboden wie aus einem 3D-Drucker stammen könnten. Dezent schmatzende, schlammige, kriechende Sounds aus Lautsprechern verstärken den Eindruck, dass sich hier ein Zugang zu einer sonst verborgenen Unterwelt auftut. Die Installation „The Happiness Of Belonging“ offenbarte vergangenen Sommer einen temporären Zwischenstand der künstlerischen Arbeit und Themenkomplexe von Alex Besta. Objekte aus verschiedenen Materialien verwiesen in einer assoziativen Anordnung auf das Verhältnis zwischen dem Menschen und der sogenannten „Natur“.
„Es gibt diesen Dualismus: Am Wochenende entflieht der Großstadt-Mensch seinem Alltag und geht in die Natur, um sich zu erholen“, sagt Besta. „Dabei soll es schön sein und man beschäftigt sich mit Schmetterlingen und Blümchen, guckt viel nach oben. Was sich unter den Füßen befindet, wird in der Regel ausgeblendet. Da ist es schleimig, erdig, es kriecht. Ich finde, das hat mit unserer kulturellen Wahrnehmung vom Tod zu tun.“ Die Künstlerin interessiert sich für gesellschaftliche Vorprägungen im Allgemeinen und insbesondere für die Konstruktion, die sich der Mensch von der Natur geschaffen hat. Deren Wahrnehmung findet Besta oft lückenhaft: „Es ist schwierig, Komplexität zu erfassen, wenn man Dinge ausblendet. Solche Blickwinkel beeinflussen, wie wir Natur wahrnehmen, mit ihr vor Ort umgehen und Verantwortung übernehmen. Und das prägt wiederum, wie wir Menschen miteinander interagieren.“
Das sind Gedanken, die man auch aus jüngeren ZKM-Ausstellungen wie Bruno Latours „Critical Zones“ oder „Bio-Medien“ kennt. Latour gehört zu den AutorInnen, die Alex Besta in den langen Recherchephasen für ihre Arbeiten heranzieht, neben Donna Haraway oder auch Science-Fiction-Literatur von Octavia Butler. „Ich sauge das alles auf, mache mir Notizen und schreibe daraus Texte“, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeitsmethode. „Im praktischen Teil arbeite ich dann sehr intuitiv mit dem vollgesogenen Schwamm in meinem Kopf. Ich mache keine konzeptionelle Kunst.“ So ergeben sich vieldeutige Werke aus verschiedenen Medien – Skulptur, Sound, Video etc. –, die sich auch immer auf den konkreten Ausstellungsraum beziehen. Alex Besta kommt vom Theater und hat Szenografie an der Hochschule für Gestaltung studiert. Davon löste sie sich im Laufe ihres Studiums, und doch ist ihre künstlerische Sprache mitunter stark vom Raum geprägt.
Neben dem physischen durchzieht diese Sprache auch ein mehrdimensionaler geistiger Raum: „Ich lese viele Bücher quer, auch Politisches. So weben sich Gedanken zum Kapitalismus oder patriarchalen Strukturen mit in die Arbeit ein. Ich kann das nicht voneinander trennen und lerne auch sehr viel über mich und meine Wahrnehmung. Wie verhalte ich mich meiner Umwelt gegenüber? Meinen Mitmenschen? Was bedeuten meine Beziehungen? Das Lesen ist nie bloß reine Inspirationsquelle. Es schließt auch immer meine Gedankenwelt und mein Handeln mit ein.“ Mit „The Happiness Of Belonging“ hat Alex Besta einer persönliche Veränderung herbeigeführt. Sie hatte große Angst vor kriechenden Lebewesen, gibt die Künstlerin zu, und setzte sich bei der Entwicklung der Arbeit bewusst Maden und Würmern aus. Die Angst verschwand und wich einer Sensibilität für diese in der Literatur auch als „nichtsprachliche Teilnehmer“ betitelten Lebewesen.
Die Installation „Recreation“ bricht mit dem Mythos des klaren, weißen Erscheinungsbildes antiker Architektur und Skulpturen. Wissenschaftlich wurde dieser bereits vor 40 Jahren widerlegt, doch unter anderem der faschistische Missbrauch dieses Ideals prägt die Vorstellung von hellen antiken Relikten noch heute. „Recreation“ versammelt auf Erde liegende, gekrümmte und gebogene Säulen, deren weiße Oberfläche durch Videoprojektion (Philippe Mainz) eine Transformation durchlaufen. In ihrer aktuellen Ausstellung im Ettlinger Kunstverein hinterfragt Besta einen anderen kulturellen Begriff: das Ornament. Die Arbeit basiert auf Recherchen im Künstlerhaus Eisenhammer in der Lausitz und geht herrschenden Hierarchien und Ordnungen bildhauerisch nach, u.a. bildete Besta dafür Formen und Muster aus der Natur mit Gips nach. Auch hier greift sie die wiederkehrenden Fragen nach der menschlichen Wahrnehmung belebter Umwelt und zu einem konstruierten Naturbegriff auf.
Seit kurzem wird Alex Besta von der digitalen Kunstplattform ato.black aus Karlsruhe vertreten. Nicht nur als ausstellende Künstlerin ist sie mit in der Stadt verbunden. Eine Zusammenarbeit verbindet Besta auch mit dem Label-Kollektiv 76666. Unter dem Pseudonym Carol Moss veröffentlicht sie dort collagenartige Soundexperimente mit sanftem Hang zu Ambient. Und in den für Karlsruhe zahlreichen Offspaces trifft man Alex Besta auch als regelmäßige Ausstellungsbesucherin: „Da passiert immer etwas. Als man nur mit Terminvereinbarung in Ausstellungen konnte, kam ich mit vielen Leuten ins Gespräch. Da war viel Austausch.“ Man könnte Alex Bestas Arbeit auch als eine Kunst über und mit Beziehung unterschiedlichster Art bezeichnen – als Zwischenfazit natürlich. -fd