Tilmann Kammerer, Safranbauer
Porträt
Die violett blühende Krokusart macht längst nicht nur den Kuchen gehl, wie uns das berühmte Kinderlied aus dem 19. Jh. gelehrt hat. Damals färbte man auch Butter oder Nudeln mit dem teuersten Gewürz der Welt. Denn benannt ist der Safran aus gutem Grund nach dem arabischen Za’fran – „gelb sein“. Seit der Antike gilt das „rote Gold“ als Luxusgewürz, dessen Ursprung man hier in Kleinasien und dort auf Kreta vermutet. Die ersten Anbaugebiete waren jedenfalls vor mehr als 1.000 Jahren Griechenland und Spanien; heute kommt Safran normalerweise auch aus Afghanistan und dem Iran – oder auch aus Graben-Neudorf, wo ihn die weitläufig verwandten Kammerers Hermann und Tilmann als erste und einzige in Nordbaden kultivieren.
Der ursprünglich aus Eggenstein stammende Förstersohn Tilmann Kammerer ist allein schon aufgrund des Berufs seines Vaters naturaffin: „Der Klimawandel zwingt uns nicht nur bei den Baumarten unserer Wälder zum Umdenken. In den vergangenen drei Jahren ist hier z.B. jeden Sommer der Mais vertrocknet – da muss auch die Landwirtschaft reagieren. Und so habe ich mich gefragt: Was könnte man möglicherweise in unseren Breitengraden noch anpflanzen?“ Die Antwort lag nicht weiter als das nächste Spargelfeld: „Magerer, trockener Boden, milder Herbst, nicht zu nass, kaum harter Frost – wir haben hier alle Gegebenheiten für den Anbau von Safran! Im persischen Hochland ist es nachts auch mal kühl und der hier so berühmte Spargel ist ebenfalls eine Pflanze, die nur wenig Nährstoffe benötigt. Ein bisschen Sonne, ab und an Regen und falls es mal heftiger wird, fließt das Wasser dank der Sandböden schnell ab, sodass keine Staunässe entsteht.“
Für seine fixe Idee wird der diplomierte Volkswirt im Ort anfangs dennoch belächelt, als er einen Projektpartner in der hiesigen Landwirtschaft sucht. Was der Bauer nicht kennt, das pflanzt er eben auch nicht. Ganz anders Hermann Kammerer, der schon früher für die BASF Fingerhut zu medizinischen Zwecken gezogen hat. Weil es dem Gemüsebauern 2020 wie so vielen an Saisonarbeitern mangelt, „bin ich zum körperlichen Ausgleich nach der Arbeit noch zum Spargelstechen aufs Feld“, erzählt Tilmann. In jüngeren Jahren hatte das regelmäßige Bewegen einen großen Stellenwert in seinem Leben: Damals heißt er noch Voigt, kickt in der A-Jugend des KFV unter dem legendären Trainer Werner Tietze und tritt in der Verbandsliga Nordbaden (damals die vierthöchste deutsche Spielklasse) gegen den Waldhof mit Kohler und Gaudino an. Dass das „Wunder von Wössingen“ die Stürmerkarriere dann als Aushilfsmanndecker bei den Senioren des hiesigen FV in der Landesliga ausklingen lässt, „liegt an meinen disziplinarischen Problemen, um das mal vorsichtig auszudrücken, sonst wäre es ev. auch noch höherklassig weitergegangen“, schmunzelt er.
Und so steht Tilmann im ersten Corona-Sommer statt auf dem Fußball- auf einem Spargelfeld – und am Ernteende das Versuchsprojekt „Baden Safran“. Gestartet sind die beiden Kammerers mit 1.000 Knollen, die sie vom Großversand aus Holland beziehen. „Sechs getrocknete Gramm Ertrag waren ein vorzeigbares Ergebnis! Dann haben wir 10.000 Knollen dazubestellt, denn die Zwiebeln teilen sich nach einer Fruchtperiode über den Winter drei- bis viermal, wenn man sie im nächsten Frühjahr aus der Erde holt“, erläutert Kammerer. „Somit hatten wir 2021 ca. 14.000 Knollen. Theoretisch könnten wir sie auch drei Jahre in der Erde lassen, bevor sie wegen Pilzbefall und anderer Krankheiten raus müssen und man dort analog zum Spargel zehn Jahre keinen Safran anbauen darf.“
Die 50-Gramm-Hochrechnung des Engagement Managers bei Orange Business Services, der 2000 über Siemens Bruchsal in der IT-Branche beim „France Télécom“-Nachfolger gelandet ist, ging aber nicht auf: strenger Frost, morgens war es kalt, tagsüber gab’s kaum Sonne und somit nicht mal die Hälfte an errechneten Safranfäden. „Landwirtschaft ist eben keine Mathematik“, befindet der Kompagnon vom Fach – und so ordert man unbeirrt weitere 10.000 Knollen. „Unser Plan sieht vor, drei bis vier Jahre immer wieder zu investieren. Wir benötigen 150.000 bis 250.000 Knollen für ein Kilo Ertrag. Das ist unser Ziel, um ‚Baden Safran‘ als Nischenprodukt zu etablieren. Wir wollen schließlich keine Massenware, sondern etwas Exklusives.“ Die Ernte ist filigranste Handarbeit: „Nur zum Furchenziehen verwenden wir einen Traktor. Dann werden Ende Juli/Anfang August die Knollen gesetzt. Zur Blütezeit Ende Oktober/Anfang November geht es drei Wochen lang jeden Tag früh morgens zum Pflücken, solange die Blüte noch geschlossen ist, damit sie nicht austrocknet und die Fäden geschützt bleiben.“
Denn ausschließlich um die (meist) drei roten Stempelfäden geht es. Mühselig herausgezupft werden sie in einem Trockenregal Marke Eigenbau zwei Tage bei Zimmertemperatur gelagert, bevor es zum Nachreifen noch mal sechs Wochen ins Glas geht. Dieser Aufwand erklärt, warum das Produkt aus der ursprünglich neun Cent günstigen Zwiebel auf einen 0,1-Gramm-Preis von sieben Euro kommt. Bis zu anderthalb Jahren kann man die verkorkten Reagenzgläschen aufbewahren; währenddessen wird der Safran immer kräftiger, dann verliert er wieder an Aroma. Der Vertrieb läuft aktuell ausschließlich über den keine 50 Meter vom Acker entfernten Hofladen und den Marktstand von Hermann Kammerer – der eine echte Bereicherung für Karlsruhes Wochenmärkte wäre! Aber auch lokale Gastronomen zählen zu den Abnehmern; etwa Ronald Bammert, der in seiner Schwarzen Katz die Gerichte mit den würzigen, leicht bitteren Fäden verfeinert. Und jetzt, da die frische 2022er Ernte seit Dezember im Verkauf ist, experimentiert Tilmann Kammerer mit der zweiten Veredelungsstufe: Limoncello aus eigener Herstellung – aufgepeppt natürlich mit „Baden Safran“! -pat