Wunder in Karlsruhe

Bühne & Klassik // Artikel vom 01.05.2021

Malika Reyad im INKA-Interview.

INKA: Ihr hattet 2020 das 15. Jubiläum der „Karlsruher Schlosskonzerte“. Was macht ihr derzeit? Du kannst ja auch keinen Gesangsunterricht geben.
Malika Reyad: Und keine Konzerte bzw. Aufführungen als freischaffende Sängerin. Alles abgesagt oder verschoben. So ein paar Onlinegeschichten, aber nicht besonders befriedigend. Auch finanziell keine leichte Zeit. Was die „Schlosskonzerte“ angeht: Wir wollten ja u.a. unser arabisch-andalusisches Projekt, eine Musiktheater-Collage über die Sehnsucht nach Einheit und Toleranz, aufführen. Unter der Regie von Thorsten Kreilos und mit KünstlerInnen aus Marrakech und Karlsruhe. Es spielt während der sogenannten goldenen Zeit in Al Andaluz und der Reconquista. In Marokko werden bis heute die sehr alten, mündlich überlieferten Lieder aus Andalusien gesungen. Zum Teil mit Texten aus dem 9. Jahrhundert. Eine Maschinenbau-Klasse der Dualen Hochschule Karlsruhe unter ihrem Dozenten Max Beyer hat hierfür bereits die komplizierte Bühne und Bühnenbild-Technik entworfen. Max Beyer ist Maschinenbauer u.a. für Bühnenbild und hat auch mit seinem Ingenieurbüro bei der Rigoletto-Produktion der „Bregenzer Festspiele“ mitgearbeitet. Diese Zusammenarbeit ist natürlich fantastisch, aber es ist derzeit schwierig zu planen, auch im Austausch mit Marokko. Da wir das Glück haben, das Hotel Hotelwelt Kübler als Übernachtungssponsor und das Ristorante L’incontro als Rundumversorger für unsere Künstler zu haben, können wir die Künstler länger einladen, um zu proben. Wir hatten schon mal 15 Musiker aus Algerien gleichzeitig im Hotel und regelmäßig zum Essen im L’incontro. Das ist so toll, dass man dadurch in Ruhe künstlerisch arbeiten kann und ich bin sehr dankbar dafür!

INKA: Ihr bekommt keine institutionelle Förderung?
Reyad: Nein, aber das möchte ich natürlich gerne. Dazu muss ich die Fraktionen von uns überzeugen und der Gemeinderat dafür stimmen. Bisher wird in Karlsruhe eine Musikreihe wie unsere nur projektweise gefördert (mit ca. zehn Prozent der Produktionskosten) und nicht alle Projekte passen in die Förderrichtlinien. Es wäre so toll, wenn es hier die Möglichkeit einer mehrjährigen Förderung gäbe. Der Verwaltungsaufwand für beide Seiten wäre ja auch geringer. Der große Rest unseres Budgets kommt von Sponsoren und Partnern, die wir, ich, selbst akquirieren, und privaten Spendern. Zurzeit ist unser Hauptsponsor das Ingenieurbüro Roth & Partner, die uns schon lange treu unterstützen.

INKA: Du drehst schon seit einiger Zeit Filme und Videos zum Thema „Wunder“. Was hat es damit auf sich?
Reyad: Wir sammeln wunderbare Geschichten, wundervolle Erfahrungen und wundersame Erlebnisse für ein Wunder-Festival zum 15. Jubiläum der „Karlsruher Schlosskonzerte“, das wir nachholen werden. Wir haben u.a. einige Interviews aufgenommen, in denen Menschen von ihren Erlebnissen erzählen. Mit Kathja Metz und Markus Kambeck von der Produktionsfirma Kambeckfilm machen wir u.a. eine Doku über Wunder in Karlsruhe und möchten damit Menschen zum Mitmachen einladen. Zeitpunkt? Noch ein wunder Punkt... Sobald wie möglich.

INKA: Wie kamt ihr auf das Thema Wunder?
Reyad: Die Idee entstand in einer Karlsruher Bäckerei. Eine Kundin in der Warteschlange erzählte von einer Reise nach Südamerika, wo sie einer Zufallsbekanntschaft das Foto einer Verwandten zeigte und sich herausstellte, dass der Fremde die Person auf dem Foto nicht nur kannte, sondern sogar mit ihr verwandt war. Andere Kunden erzählten ähnliche Geschichten und am Ende waren bis dahin einander Fremde verbunden durch das gemeinsame Staunen über seltsame Zufälle oder wunderbare Ereignisse. Auch bei den „Schlosskonzerten“ hatten wir öfter verblüffende Erlebnisse, z.B. bei einer Probe für das Konzert „Gestern warst du Dada… heute bist du Wowo“: Die Sängerin Ruth Eberhard und ich probten mit Melania Inés Kluge am Klavier und Paul Cervenec am Kontrabass mit dem Regisseur Sönke Frank. Ruth und ich probten szenisch für das Chanson „Senil am Nil“. Da gibt es den Satz: „Ich sitz auf meinem Klappstuhl, guck die Pyramiden an…“ Da ich französischsprachig aufgewachsen bin, habe ich das Wort „Pyramide“ falsch ausgesprochen – nämlich mit „i“, also „Piramide“. Ruth wies mich netterweise darauf hin, aber ich machte den Fehler mehrmals. Danach wollte der Regisseur, dass wir völlig vertieft und wie in Zeitlupe Papierboote falten. Dazu hatte er einen großen Stapel Schmierpapier mitgebracht. Als ich mein Papierschiffchen auseinanderfaltete, stand auf dem Papiermast mit Kuli geschrieben das Wort „Pyramide“. Also so was! Das Schiffchen habe ich noch… Das war ein total seltsames Gefühl, wie so ein Augenzwinkern aus dem Universum. So ’ne Mischung zwischen Schock und Scherz. Ich hätte mich dann auch nicht gewundert, wenn eine Stimme: Naaa? Gell, do gucksch!“ gerufen hätte!

INKA: Wie soll das konkret künstlerisch umgesetzt werden?
Reyad: Erzählungen, Musik, Gedichte, Texte, Zeichnungen u.a. werden in Kurzfilmen festgehalten. In einem Wunderlabor werden verschiedene Aspekte der Wunder und des Wunderns analysiert und erforscht: quantenphysikalisch, musikalisch, medizinisch, lyrisch, spielerisch, spirituell, theologisch, in den Erfahrungen des Alltags ebenso wie in wissenschaftlichen Untersuchungen. Künstler bewirken Wunderwerke: Nanna Doll wird Wunder-Schmuck machen, Tina Stolt ist auf der Suche nach bildlichen Wundern, die Künstler von Combo wie „Buddy“ (Martin Tabares San-Jose) machen Wunder-Graffiti oder -Tanz wie B-Boy Chau-Lin, die Jugendlichen vom Soundtruck werden uns Wunder-Raps erzählen, im Internet planen wir einen Wunder-Fanshop mit Wunder-Merchandising. Das Ergebnis wird ein Wunder-Festival sein, eine bunte Inszenierung, in deren Mittelpunkt die Wunder- Geschichten der Karlsruher stehen. Das Musikprogramm wird breit gefächert sein und auf die Filme mit den Erzählenden und die Lesungen eingehen. Der Geist des Projektes ist die Faszination am Wunderbaren und an den Menschen, die ihr Erlebnis mit uns teilen. Es leben Mitgefühl und Sympathie, gemeinsames Staunen und Lachen! Und die Hoffnung! Wunder gibt es immer wieder.

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