Von Grenzen und Wegen
Bühne & Klassik // Artikel vom 13.10.2013
Die Spielzeit 2013/14 am Badischen Staatstheater.
Mit Rio Reiser, dem KSC-Projekt „Aus!“ und Verdis Maskenball ist das Staatstheater Karlsruhe in die neue Saison gestartet. Friedemann Dupelius blickt für INKA weiter in die Spielzeit 2013/14 hinein und sprach zudem mit Schauspieldirektor Jan Linders über das Festival „Neues Theater aus Rumänien“.
Schauspiel
Klassiker und brandaktuelle Stücke, Philosophie und Politik, Komödien und musikalisches Theater finden sich im Schauspiel-Programm: Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“ (Foto) hat sich neben der Bühne auch auf der Leinwand bewährt (Premiere: 21.11.), genauso wie der „Sommernachtstraum“, Shakespeares meistgespieltes Stück (30.1.). Gesellschafts- und Wirtschaftsutopien entwarfen Georg Kaiser mit „Gas I & II“ (9.5.) und Hermann Hesse in seinem Roman „Glasperlenspiel“, in Karlsruhe ab Juni 2014 erstmals in einer Bühnenfassung zu sehen. „Maienschlager“ von Katharina Gericke erzählt von der Liebe eines 16-jährigen Hitlerjungen zu einem Juden (17.4.), und Dmytro Ternovyi hetzt die Polizei in der revolutionär-brodelnden Ukraine auf die Jagd nach einem Illegalen in der Uraufführung „Hohe Auflösung“ (Juni 2014). Am 21.9. Premiere hatte eben das Stück „Roma Romeo und Sinti Carmen“ von Holger Schober (Foto unten; Fotos: Felix Grünschloss).
Der Superjet bei Eingang E: Das „Studio“ im Staatstheater
„Es ist ein bisschen wie am Flughafen, wenn man ins Staatstheater kommt“, sinniert Jan Linders, Schauspieldirektor am Staatstheater Karlsruhe. „Die einen gehen ins Große Haus zum Jumbojet, die anderen zum Mittelstreckenflieger ins Kleine Haus und ganz oben, über die Brücke am Eingang E des Opernhauses, erreicht man den kleinen Superjet – unser Studio.“ Durch den Umzug der Opern-Probebühne in die Nancyhalle schuf Generalintendant Peter Spuhler dort vor zwei Jahren einen Raum, den Linders sofort zu nutzen wusste: „Neue Theaterstücke sind oft für kleineres Ensemble geschrieben – und neuere Formen brauchen näheren Kontakt zum Publikum.“ Dafür bietet das Studio ideale Voraussetzungen. In dem 125 Zuschauer fassenden, mit Ton, Video und Licht ausgestatteten Raum „sitzen quasi alle in der ersten Reihe“, können jede Schweißperle auf den Schauspielerstirnen erkennen. Experimentelle und politische Stücke finden ihren Platz im Studio, aber auch Komödien profitieren von der Intimität an diesem Ort. Jeden Monat präsentiert die Reihe „Das neue Stück“ szenische Lesungen neuer Texte, deren Autoren zum Gespräch mit dem Publikum anwesend sind. Manche davon finden bald ihren Weg in den Spielplan. „Für uns ist ganz wichtig, dass Theater immer auch ein Fenster zur Welt aufreißt“, meint Linders, was bald mit den Premieren von „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ (23.1.) und dem Recherche-Stück zum NSU-Prozess, „Rechtsmaterial“ (29.3.), geschehen wird. Zuvor nimmt bereits „Richtfest“ den Spielbetrieb auf (29.11.), ein Stück über kollektiven Hausbau (Foto Studio/Müdigkeitsgesellschaft: Felix Grünschloss).
Ballett
Neben jährlichen Institutionen wie der Karlsruher Ballettwoche (27.-31.5.2014) und der Ballett-Gala (31.5.) bringt die Compagnie unter der Leitung von Birgit Keil und Vladimir Klos auch wieder zwei Premieren auf die Bühne: Youri Vámos verknüpft in seiner „Dornröschen“-Inszenierung (Foto) das Stück Peter Tschaikowskis mit zeitgeschichtlichen Elementen aus dem zaristischen Russland (Premiere: 16.11.). Gleich drei neue Stücke bringt der Premieren-Abend am 22.3. mit sich, wenn sich Jörg Mannes, Reginaldo Oliveira und Tim Plegge („Momo“) in ihren drei Choreografien dem Thema „Mythos“ annähern.
Oper
Wie Verdi kommt auch „Die Fledermaus“ von Johann Strauss nicht ohne Maskenspiele aus. Die erfolgreichste Operette überhaupt setzt eine kleine jüngere Karlsruher Tradition in diesem Genre fort (Premiere: 14.12.). Die Reihe der politischen Oper macht mit John Adams’ „Doctor Atomic“ weiter, die als „Faust-Oper des Atomzeitalters“ gilt (25.1.), und mit „Die Meistersinger von Nürnberg“ steht die nächste Richard-Wagner-Inszenierung an (27.4.). Die Händel-Festspiele lassen Richard Löwenherz, bei Händel heißt er „Riccardo Primo“, singen (21.2./Foto: Felix Grünschloss); Ravels „Das Kind und die Zauberdinge“ sowie Strawinskys „Die Nachtigall“ ergeben zusammen einen Kurzopern-Abend (14.6.) und Modest Mussorgskys „Boris Godunow“ markiert die letzte Premiere der Saison (19.7.).
Konzert
Über 30 Konzerte in den unterschiedlichsten Formaten bringt die Spielzeit 2013/14 mit sich: Die großen Besetzungen in den Sinfonie- und Sonderkonzerten erarbeiten unter anderem ein Spezialprogramm zu den Europäischen Kulturtagen 2014 mit Werken wie Goreckis „Sinfonie der Klagelieder“ (18.+19.5.) und ein Festkonzert zu den Internationalen Händel-Festspielen (25.2.). Die Reihe der Kammerkonzerte gestalten Mitglieder des Staatstheater-Ensembles selbst und lassen sich zum Beispiel Spezialitäten wie einen Ungarn-Abend (23.3.) einfallen. Für Neue Musik sorgt die Reihe „Nachtklänge“, und auch die erfolgreichen Kinder- und Jugendkonzerte werden üppig fortgeführt.
Junges Staatstheater
Ob Teenie oder Kindergartenkind – beim Jungen Staatstheater ist für alle Altersgruppen etwas dabei: Die kleine Mia erlebt eine abenteuerliche Nacht bei ihrer Freundin Cerisia („Mia schläft woanders“ von Annette Büschelberger, Premiere: 15.2.), Elins Leben in „Fucking Åmål“ wird aufregend, als sich Agnes in sie verliebt (11.4.) und für manche Menschen sind Landkarten das Allerspannendste – darum geht’s in „Stadt Land Fluss“ von Carlos Manuel (13.12.). Da passt Max’ Abenteuer in der Kinderoper „Wo die wilden Kerle wohnen“ bestens dazu (23.2.).
Volkstheater
Neben der Möglichkeit, in einer der zahlreichen Volkstheater-Gruppen selbst schauzuspielern, startet das Staatstheater Karlsruhe zwei weitere interaktive Projekte: „Fremdraumpflege“ funktioniert in Kooperation mit dem Theater Pforzheim Wohnungen in Karlsruhe und Pforzheim zu Theaterbühnen um. Tuğsal Moğul und zwei Schauspieler spielen vor Ihren Verwandten und Freunden in Ihrer Wohnung, wenn Sie nur wollen – Anmeldung unter:
fremdraumpflege@staatstheater.karlsruhe.de. Selbst auf die Bühne gelangt, wer sich an „100 Dokumente“ beteiligt. Hierfür sucht Gerardo Naumann 100 Stromrechnungen, Spickzettel, Stadiontickets und sonstige Schriftstücke aus dem alltäglichen Leben – zur Anmeldung genügt eine Mail an 100dokumente@staatstheater.karlsruhe.de.
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