Männerphantasien

Bühne & Klassik // Artikel vom 24.04.2013

Klaus Theweleits „Männerphantasien“ sorgten in den späten 1970er Jahren für Wirbel.

In den zwei Büchern zieht der ehemalige Professor der Karlsruher Kunstakademie Parallelen zwischen Faschismus und Geschlechterverhältnissen und stellt männliche Rollenbilder in Frage. In Zeiten erneuter Sexismus-Debatten ist das bestimmt nicht das verstaubteste Buch.

Angereichert mit Quellen und Querverweisen von der Psychoanalyse bis zu Walt Disney bieten die zwei Bände jede Menge Futter für Regisseur Patrick Wengenroth, der daraus ein Bühnenstück zwischen Performance, Philosophie und Pop entwickelt hat. Friedemann Dupelius hat sich mit Wengenroth unterhalten, der die „Männerphantasien“ am Staatstheater Karlsruhe inszeniert.

INKA: In einem Interview erzählte Klaus Theweleit über seine „Männerphantasien“: „Das Buch hat manche Beziehung und manche Leute zerstört.“ Sie auch?
Patrick Wengenroth: Ach, nee. Ich mache das ja so ähnlich wie er: Sein eigentlicher Schreibanlass war ja die Diskussion mit seiner Frau, wie man sich die Kinderbetreuung teilen könnte. Die haben sich dann den Tag einfach halbiert.

INKA: Also ist das Buch auch nach 35 Jahren aktuell?
Wengenroth: Natürlich ist es aus dem Geist der 68er geboren, aber es gibt bis heute kein relevantes Update. Das ist immer noch so eine Leerstelle: Wie sind Mann und Frau geartet? Warum gibt es immer wieder Sexismus-Debatten? Warum nehmen nur so wenige Väter mehr als zwei Monate Elternzeit? Auch zum Fall des Massenmörders Breivik gibt es Parallelen.

INKA: Welche denn?
Wengenroth: Breivik fürchtet sich unter anderem vor der kommunistischen Weltrevolution. Theweleit hat Literatur und Aufzeichnungen deutscher Freikorps-Soldaten zwischen den Kriegen analysiert und zeigt auf, dass der Kommunismus genuin weiblich konnotiert ist. Die Männer ängstigt das Fließende, sie sehnen sich nach klaren Strukturen – im Extrem ist das die organisierte, hierarchische Kriegsführung. So zeigt er Zusammenhänge zwischen sexueller Frustration, Faschismus und männlichen Ängsten auf.

INKA: Wie bringt man 1.200 Seiten Text auf die Bühne?
Wengenroth: Theweleit meinte, man solle das Buch eher wie einen Film rezipieren. So ähnlich versuche ich auch, Theater zu machen. Es gibt bestimmte Bilder und Gegenüberstellungen, von Zitaten aus dem 3. Reich bis zu Katy Perry. Ich arbeite mit einem männlichen Schauspieler und vier Frauen sowie einem Musiker. Es geht darum, Theweleits Fragen mit dem, was uns tagtäglich in Werbung und Medien beschießt, in Spannung zueinander zu setzen, diese Fragen in den Alltag mitzunehmen und immer wieder zu überprüfen, wo man selbst in bestimmten Mustern verhaftet ist und wann man die durchbrechen kann. Was ist dieses Faschistische im Mann? Wo stößt er beim Verständnis des weiblichen Gegenübers auf Grenzen und warum? Ist das eine mangelnde Erkenntnis der eigenen Weiblichkeit? Mein Ansatz ist, diese schweren Themen mit Mitteln der Unterhaltung zu gestalten – wobei den Leuten aber in regelmäßigen Abständen das Lachen im Halse stecken bleiben soll.

Premiere: Mi, 24.4., 20 Uhr, auch Di, 30.4., 20 Uhr, Badisches Staatstheater, Studio, Karlsruhe

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