1. Karlsruher Diary Slam
Bühne & Klassik // Artikel vom 11.07.2013
„Das Beknackteste, das man sich vorlesen kann!“
Blogs hin, Facebook her – die Mutter aller Befindlichkeits-Bekundungen ist das Tagebuch. Und auch noch viel intimer, denn lesen darf es in der Regel nur die verfassende Person. Anders ist das beim „Diary Slam“: Hier rezitieren Tagebuch-AutorInnen ihre schönsten und peinlichsten Ergüsse aus vergangenen Tagen vor Publikum.
Der kleine Bruder des Poetry Slam hat seinen Ursprung in Hamburg und findet im September, initiiert vom Bücherbüffet Karlsruhe, das erste Mal im Südwesten statt. Zu diesem Anlass verrät „Diary Slam“-Mitbegründerin Nadine Wedel Friedemann Dupelius ein paar Geheimnisse zu ihrer Idee.
INKA: Nadine, man liest von dir, du hast ein halbes Dutzend Tagebücher vollgeschrieben. Schreibst du noch immer?
Nadine Wedel: Nicht mehr, ich habe mit 23 aufgehört.
INKA: Ist Tagebuch schreiben Alterssache?
Wedel: Das würde ich so nicht sagen. Man kann in jeder Lebensphase Tagebuch schreiben. Es gibt bei den Slams auch Leute, die aus aktuellen Tagebüchern vorlesen – das funktioniert aber nicht, es ist nicht witzig und die Leute haben keinen Abstand zum Geschriebenen, da sie noch in dieser Lebensphase stecken.
INKA: Wie würdest du den Diary Slam jemandem Unwissenden kurz und knapp beschreiben?
Wedel: Man tritt mit seinen alten Jugendtagebüchern auf die Bühne und liest anderen Personen daraus vor. Es ist aufgezogen wie ein Slam, der Wettbewerbscharakter steht aber im Hintergrund. Zu gewinnen gibt es ein neues, leeres Tagebuch.
INKA: Wie kam es zu der Idee?
Wedel: 2006 hat sich meine Freundin Ella Carina Werner in einer privaten Runde gefragt, was das Beknackteste ist, das man sich vorlesen kann – man kam auf alte Tagebücher und führte gleich den quasi ersten Diary Slam im Wohnzimmer durch. 2011 bin ich auf die englischen Cringe Nights, die ähnlich funktionieren, aufmerksam geworden, habe mich mit Ella Carina zusammengetan und den Diary Slam ins Leben gerufen.
INKA: Herrscht auf einem „Diary Slam“ nicht eine große Fremdschäm-Stimmung?
Wedel: Nein, eher nicht. Es ist hauptsächlich eine nostalgische Stimmung. Die Leute erleben Flashbacks in ihre beknackte Pubertätszeit und merken zum Beispiel, dass sie gar nicht die einzigen waren, die damals einen solch großen Liebesschmerz gespürt haben.
INKA: Geht’s in den Texten dann hauptsächlich um Liebesdramen und Herzschmerz oder wie weit ist das Spektrum?
Wedel: Nein, es gibt keine Grenzen. Von Banalitäten wie „Was habe ich morgens gegessen?“ bis zum ersten Kuss ist alles vertreten.
INKA: Welche Rolle spielt der Ort – in Karlsruhe das Kino Kurbel“ – und wie kann man beim „Karlsruher Diary Slam“ mitmachen?
Wedel: Es ist uns wichtig, einen intimen Ort zu haben, wo nicht zu viele Leute reinpassen. Ein kleiner Kinosaal passt auf jeden Fall zum Charme des Diary Slams. Wer mitmachen will, kann eine E-Mail (mail@diaryslam.de) an uns schreiben. Ich selbst werde auch vorlesen.
Diary Slam: Fr, 20.9., 20 Uhr, Die Kurbel; 17.-20.10.: Bücherbüffet Fleischmarkthalle Schlachthof, Karlsruhe
www.diaryslam.de
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