Ziegenkäse: Besser ist nur Eselsmilch (frei nach Cleopatra)

Bildung & Wissen // Artikel vom 21.08.2020

Ziegenmilch ist in aller Munde, zumindest bald.

Und Ziegenkäse- oder Joghurt. Es ist ein Trend hin zu dem Tierprodukt zu beobachten, das sich lange nur treuen und wissenden kulinarischen „Randgruppen“ erschloss. Auch dank geschickten Marketings, aber auch wegen der hohen Zahl an Kuhmilch-Intoleranzen. Im Endeffekt rückten Ziegen- oder Schafs-Milchprodukte auch wegen des Laktosefrei-Alarmismus als Alternative zu industriellen „lactosefreien“ Produkten in den Fokus vieler, die auf eine gesunde Ernährung Wert legen. Ziegenmilch enthält mehr Vitamin D, fast doppelt so viele der antientzündlichen Linolsäuren und kleinere Fetttröpfchen als Kuhmilch. Dadurch ist sie, so vermutet man, für empfindliche Mägen eher geeignet. Auch Allergiker, die Probleme mit Milchprotein oder Milchzucker haben, vertragen sie häufig problemlos. Auch bei Hautproblemen kann eine Umstellung von Kuh- auf Schafs- oder Ziegenprodukte helfen. Etwas Geduld muss man aber mitbringen, es dauert etwa vier Wochen, bis eine Wirkung eintritt. Wenig geeignet ist sie für Säuglinge, da sie z.B. weniger Folsäure und Vitamin B12 als Kuhmilch enthält.

Ziegen- und Schafsmilch-Produkte finden sich vermehrt auch in den Supermärkten. Vor allem aber lohnt sich der Blick in die Bio-Läden. Die dort angebotenen Ziegenprodukte reichen von Milch über Joghurt und Käse bis hin zu Ziegenbutter. Vieles kommt von Andechser Natur . Deren Molkerei verarbeitet Milch von 16.000 Ziegen aus dem Alpenvorland. Die dort hergestellten Produkte lassen qualitativ keine Wünsche offen. Ihr ökologischer Fußabdruck ist allerdings verschieden: Während viele der Produkte das Demeter-Siegel als eines der strengsten Biosiegel in Europa tragen, sind einige nur nach Bioland zertifiziert.

Allerdings, das gilt auch für andere regionale Produkte: Für viele der zumeist sehr kleinen Ziegenkäse-Produzenten lohnt sich eine Bio-Zertifizierung überhaupt nicht. Und ist viel zu aufwendig. Dieses Label findet man mittlerweile sogar in Discountern, es schützt die Umwelt schon nicht mehr ganz so gut: In Bioland-Betrieben hat jede Ziege nur vier Quadratmeter. In einem Demeter-Betrieb haben die Tiere fast 200 mal soviel Platz. Insgesamt sind bei der Ziegenmilchproduktion ohnehin nur sehr kleine Produktionsmengen möglich, denn eine Ziege gibt im Jahr nur rund 1.000 Liter Milch. Zum Vergleich: Eine Kuh gibt bis zu 30.000 Liter. Solche Hochleistungszuchten sind bei Ziegen zum Glück noch unüblich. Gerade im Ausland produzierte Ware ohne Zertifikat kann aber durchaus aus Großbetrieben stammen, in denen die Tiere öfters im Stall als draußen sind. Auffällig ist: je mehr sie draußen sind, desto höher ist auch der Linolsäureanteil der Ziegenmilch.

In Karlsruhe führt neben dem Pfälzer Käsehändler Kirsch, den wir im Interview vorstellen, und neben Al Natura und Füllhorn z.B. auch Ehrlichs Weinkontor Ziegen- und Schafskäse, die die ausgesuchten Käsesorten der großen Käsetheke ergänzen. Tipps sind hier z.B. der tolle Pecorino-Sardo, Rosmarin-Ziegenkäse aus Spanien und die eher kräftigen Schafs- und Ziegenkäse aus den Pyrenaen. Ein sehr ausgesuchtes, großes, engagiert zusammenkuratiertes Angebot aus Ziegen und Schafsmilchprodukten bieten die Göpi Märkte in Ettlingen und Karlsbad-Langensteinbach. Inhaber Gerd Göhringer entpuppt sich beim Gespräch in dem extrem gut sortierten, im Vergleich zu Karlsruher Bio-Läden vergleichsweise riesengroßen Göpi Markt als Ziegen-Käse-Aficionado, hat aber natürlich auch ein üppiges Angebot an Schafs-Käsen im Angebot, von ganz frischen über Ricotta bis Pecorino oder Roquefort aus Italien.

Als ich ihm von dem neuen Andechser Ziegenfrischkäse erzähle, der quasi die ideale, weil fast leicht cremige „Einstiegsdroge“ in die Welt der Ziegenkäse darstellt, lacht er. Und outet sich als Fan auch frischer französischer Ziegenkäse-Varianten, von denen es bei Göpi über 15 Sorten gibt und natürlich lang gereifter Ziegenkäse z.B. aus Frankreich oder Österreich, die – da sie durchaus nach „Terroir“ schmecken – den Käseliebhaber ins Schwärmen bringen. Aber natürlich weiß Gerd Göhringer um das Image, das Ziegenkäse früher hatte, dass dieser nach Stall, Wiese, Kräutern und Stengeln schmeckt. Nach Herkunft, würde man heute positiv sagen, denn selbst cremige Ziegenkäse schmecken einfach nach einem authentischen Produkt. Fast „wie früher“. Aber, keine Frage, am „Ziegen-Image“ wurde zuletzt ja auch viel gearbeitet. Göpi bezieht regional z.B Produkte von Monte Ziego, einer etwas größeren Molkerei im Südwesten und aus der Pfalz, die auch im Füllhorn oder Al Natura vertreten ist, Ziegenmilch kommt vom Martinshof in der Pfalz. -jh/rw

Interview mit Käsehändler Matthias Kirsch über Ziegen- und Schafskäse

Janine Hack hat für INKA den regionalen, aus Frankenthal stammenden Käse- und Feinkosthändler Matthias Kirsch an seinem Marktstand auf dem Gutenbergplatz getroffen und mit ihm über die Vorzüge dieser Käsespezialität gesprochen. Kirsch, ein echter Kenner und Käsefreak im besten Sinne, steht auch auf dem Stephanpatz (Mo/Mi/Fr), am Gutenbergpatz Di/Do/Sa.

INKA: Sie haben ja ein großes Angebot hier, ich sehe Käse ohne Ende. Wie viel von Ihren verschiedenen Sorten sind denn von der Ziege und vom Schaf?
Matthias Kirsch: Insgesamt habe ich bestimmt 300 Sorten Käse und 50 Ziegen- und Schafskäse. Die Nachfrage steigt, weil es immer mehr Kuhmilchallergiker gibt.

INKA: Ziegenkäse ist insgesamt besser verträglich für Leute, die keine Laktose, also keinen Milchzucker, vertragen – und auch insgesamt?
Kirsch: Viele Leute denken, Ziegenmilch ist laktosefrei. Das ist aber nicht wahr. Laktose ist in jeder Milch vorhanden, auch in Ziegenmilch. Gegenüber der Kuh ist bei der Ziege aber etwas weniger Laktose enthalten.

INKA: Auch Discounter ziehen nach und bieten mehr Ziegenprodukte an. Wir wirkt sich das Ihrer Einschätzung nach aus?
Kirsch: Für mich wird sich dadurch wahrscheinlich gar nichts groß verändern. Meine Käse sind großteils Fermier, d.h. aus bäuerlicher Herstellung von Kleinstbetrieben, also keine Industrieware. Mein Glück: Von den ganzen kleinen Betrieben ist gar keiner in der Lage, Discounter zu beliefern. Die Supermärkte würden die Preise niemals zahlen.

INKA: Sind das dann Bio-Betriebe?
Kirsch: Die Höfe, deren Käse ich verkaufe, haben kein Bio-Siegel. Das liegt in erster Linie daran, dass kleine Höfe sich das Zertifikat gar nicht leisten können. Aber das ist ehrliches Handwerk: Die stellen ihren Käse alle traditionell her, halten die Ziegen auf der Weide und melken sie selbst. Erst vor kurzem war ich beim Ziegenhof Läser in der Pfalz. Da bekommen die Tiere frisches Gras, kein Silagefutter. Auch meine anderen Käse kommen ohne Silage aus.

INKA: Der Pfälzer Ziegenfrischkäse wurde mir schon wärmstens empfohlen. Den gibt es aber nur saisonal. Woran liegt das?
Kirsch: Von September bis Anfang April sind die Ziegen erst schwanger und säugen dann ihre kleinen Kitze. Der Pfälzer lässt die Kleinen nämlich bei den Muttertieren, das macht nicht jeder. Und in der Zeit kann man dann eben keinen Käse machen. Den französischen Ziegenkäse gibt’s ganzjährig. Das liegt daran, dass die Ziegen dort in Gruppen eingeteilt werden: Erst sind die einen an der Reihe, dann die anderen. Dadurch gibt es zwar weniger Milch, dafür aber das ganze Jahr.

INKA: Bio-Supermärkte bieten auch Ziegenmilchprodukte an und benötigen dafür große Mengen. Woher beziehen diese Ketten ihre Ziegenmilchprodukte?
Kirsch: Es ist wie mit anderen Produkten auch: Jeder Supermarkt hat mittlerweile seine Hausmarke, die von einem entsprechend großen Hersteller mitproduziert wird. Im Falle von Bio-Käse sind das gigantische Molkereien wie Andechser. Wenn der Supermarkt sagt: „Wir brauchen 100 Kilo von diesem oder jenem Käse“, dann ist der Kleinbauer chancenlos.

INKA: Und wie sieht das in so einer Massenproduktion dann aus?
Kirsch: Großbetriebe haben 3.000 bis 5.000 Ziegen im Stall stehen. So viele Tiere kann man nicht mehr auf der grünen Wiese halten.

INKA: Was haben Sie an Ziegen- und Schafskäse in der Auslage?
Kirsch: Sorten aus aller Herren Länder – Allgäu, Spanien, Italien, Frankreich. Z.B. diesen exklusiven Pecorino Moliterno mit original italienischem schwarzen Trüffel. Das sieht man dann auch am Preis. Noch eine besondere Spezialität: Sainte Maure de Touraine. Das ist ein geschützter Name, d.h. der muss immer auf die traditionelle Art und Weise hergestellt werden. Weil der Käse bei der Herstellung noch brüchig ist, packt man ihn längs an einen Strohhalm. So lässt man ihn reifen. Daran kann man den Sainte Maure erkennen, der Strohhalm bleibt nämlich drin.

INKA: Apropos Stroh: Bei der Kuhmilch hängt die Qualität ja stark vom Futter ab. Wenn die Kühe weiden dürfen und im Winter Heu bekommen, enthält ihre Milch wesentlich mehr gesunde Omega-3-Fettsäuren – und darf sich dann Heumilch nennen. Finden sich solche Unterschiede auch im Geschmack wieder?
Kirsch: Auf jeden Fall! Meine Kunden fragen mich öfters, warum dieser Käse so und jener Käse so schmeckt, denn er besteht ja nur aus Milch. Letztendlich gibt das Futter den Ausschlag, wie der Käse wird: Z.B. der Allgäuer Ziegenlaib aus Heumilch, der schmeckt ganz fein, fast schon fruchtig. Schön kräftig ist dagegen der Sainte Maure de Touraine.

INKA: Welchen Ziegenkäse empfehlen Sie Kuhmilchallergikern und Ausprobierfreudigen, die das typische Ziegenaroma nicht so mögen?
Kirsch: Den Pfälzer Ziegenfrischkäse, der ist ganz mild. Mein Tipp: Mit Olivenöl, Kräutern und ganz viel Knoblauch drauf grillen oder backen.

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 1 und 7.

WEITERE WISSEN & BUCH-ARTIKEL